Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
- Die Anwendung der 1-%-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat (Anschluss an Senatsurteil vom 21.4.2010, VI R 46/08, BFH/NV 2010 S. 1707). Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen.
- Allein die Gestattung der Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte begründet noch keine Überlassung zur privaten Nutzung i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG.
Sachverhalt
K war als Verkäufer im Autohaus G tätig. G hat die Privatnutzung von Vorführwagen untersagt. Aufgrund mündlicher Vereinbarung durfte K aber Vorführwagen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen; dies wurde lohnversteuert. Das weitere Nutzungsverbot wurde laut G durch Kontrolle der Kilometerstände wöchentlich überprüft. Das Finanzamt ging von einer privaten Nutzungsmöglichkeit für K aus und wandte die 1-%-Regelung an, wobei es auf durchschnittliche Bruttolistenpreise zurückgriff. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Der BFH hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zur Nachholung weiterer Feststellungen zurück.
Entscheidung
Die 1-%-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur Privatnutzung überlässt, die unbefugte Privatnutzung genügt nicht. Ob und welches Kfz ein Arbeitnehmer nutzen darf, hat die Tatsacheninstanz festzustellen. Diese Feststellung lässt sich nicht durch einen Anscheinsbeweis ersetzen. Insbesondere spricht kein Anscheinsbeweis dafür, dass dem Arbeitnehmer ein Dienstwagen aus dem Fuhrpark des Arbeitgebers privat zur Verfügung steht und auch nicht dafür, dass Arbeitnehmer Verbote missachten, selbst wenn ein arbeitsvertraglich vereinbartes Nutzungsverbot nicht überwacht wird. Der Anscheinsbeweis besagt nur, dass ein dem Arbeitnehmer zur Privatnutzung überlassener Dienstwagen von ihm tatsächlich auch privat genutzt wird.
Hier stand nur fest, dass K Vorführwagen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nutzte. Das ist aber keine Überlassung zur Privatnutzung i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG. Denn derartige Fahrten gehören zur Erwerbssphäre. Also ist der Sachverhalt weiter aufzuklären:
- War vereinbart, dass der Vorführwagen auch privat genutzt werden darf?
- Wurde das Privatnutzungsverbot nur zum Schein ausgesprochen?
Würde dies mit hinreichender Sicherheit festgestellt, käme der Anscheinsbeweis zum Tragen: Zur Privatnutzung überlassene Kfz werden auch tatsächlich privat genutzt. Aber ein Anscheinsbeweis kann umso leichter erschüttert werden, je geringer die Unterschiede zwischen Privat- und Dienstfahrzeug ausfallen. Sonst ist festzustellen, welche Pkw konkret privat genutzt wurden.
Link zur Entscheidung
BFH, 6.10.2011, VI R 56/10.