Leitsatz
- Werden in einem einheitlichen Erwerbsvorgang festverzinsliche Bundesanleihen zu einem unter ihrem Nominalwert liegenden Kurswert teils mit Krediten, teils mit Eigenmitteln angeschafft, ist die Kapitalanlage nicht in einen eigen- und einen fremdfinanzierten Anteil aufzuteilen.
- Bei der Prüfung der Überschusserzielungsabsicht sind die Schuldzinsen in vollem Umfang als Werbungskosten anzusetzen und nicht in einen auf die gesamten Zinseinnahmen und einen auf die steuerfreie Vermögensmehrung entfallenden Anteil aufzuteilen.
- Die Einkunftserzielung steht gegenüber der steuerfreien Vermögensmehrung im Vordergrund, wenn auf Dauer die gesamten Zinseinnahmen die gesamten Zinsaufwendungen übersteigen.
Sachverhalt
K erwarb im April 1991 Bundesanleihen mit einem Nominalwert von 180000 DM zu einem Kurswert von 158274 DM. Die Anleihen wurden mit 5,5 % verzinst, ihre Laufzeit endete am 20.9.1996. Den Kauf finanzierte K mit Eigenmitteln und einem Bankdarlehen über 100000 DM, das mit 9,75 % zu verzinsen und in einer Summe am 20.9.1996 zu tilgen war. Eine vorzeitige Tilgung war vertraglich ausgeschlossen. Die Wertpapiere dienten als Sicherheit für das Darlehen.
In der ESt-Erklärung 1992 setzte K die Zinsen aus den Bundesanleihen (9900 DM) als Einnahmen und die Darlehenszinsen (9750 DM) als Werbungskosten an. Das Finanzamt erkannte die Zinsaufwendungen nicht als Werbungskosten an. Nach seiner Auffassung waren die Bundesanleihen in einen fremd- und einen eigenfinanzierten Teil aufzuteilen. Beim eigenfinanzierten Teil seien keine Werbungskosten entstanden. Soweit die Einnahmen auf den fremdfinanzierten Teil entfielen, fehle die Einkunftserzielungsabsicht, so dass insoweit auch keine Einnahmen zu erfassen seien. Demzufolge berücksichtigte das Finanzamt Einnahmen in Höhe von 4400 DM (9900 DM ./. 5500 DM). Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt. Der BFH hat das FG-Urteil bestätigt.
Entscheidung
Der BFH verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach durch ein einheitliches Geschäft zu einheitlichen Konditionen erworbene Anleihen für die Ermittlung der abziehbaren Werbungskosten und damit für die Prüfung der Überschusserzielungsabsicht nicht in einen eigen- und einen fremdfinanzierten Anteil aufgeteilt werden dürfen. Die Besteuerung knüpfe grundsätzlich nur an die effektiv verwirklichten, nicht hingegen an hypothetische, aber tatsächlich nicht verwirklichte Sachverhalte und Gestaltungen an. Dies verbiete es, der Besteuerung einer Kapitalanlage eine Art der Finanzierung zugrunde zu legen, die der Steuerpflichtige tatsächlich nicht gewählt habe. K habe einen einheitlichen Vertrag über den Erwerb von Bundesanleihen zum Kurswert von insgesamt 158274 DM abgeschlossen. Da die jährlichen Zinseinnahmen höher waren als die jährlichen Zinsaufwendungen, könne sie die gesamten Schuldzinsen als Werbungskosten abziehen. Einen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO verneint der BFH. Es stehe jedem Steuerpflichtigen frei, für seine Geschäfte Eigen- oder Fremdkapital einzusetzen; zudem könne er seine Mittel so einsetzen, wie es für ihn steuerlich günstig sei. Eine Aufteilung der Schuldzinsen wegen einer Mitveranlassung durch den angestrebten Vorteil auf der nichtsteuerbaren Vermögensebene (und damit ein nur teilweiser Schuldzinsenabzug) kommt nach Meinung des BFH ebenfalls nicht in Betracht. Denn hat der Steuerpflichtige neben der Überschusserzielungsabsicht auch die Erwartung, mit der Kapitalanlage steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, so steht dies dem vollem Schuldzinsenabzug nicht entgegen, sofern die Absicht, steuerfreie Wertsteigerungen zu realisieren, nur mitursächlich für die Anschaffung der ertragbringenden Kapitalanlage war.
Praxishinweis
Das BFH-Urteil liegt auf Linie der bisherigen Rechtsprechung, wonach – Überschusserzielungsabsicht vorausgesetzt – eine Aufteilung der Schuldzinsen bei einheitlich angeschafften, teilweise fremdfinanzierten Wirtschaftsgütern zu verneinen ist. Das gilt selbst dann, wenn die erwarteten steuerfreien Vermögensvorteile die beabsichtigten steuerpflichtigen Einnahmeüberschüsse voraussichtlich deutlich übersteigen. Die Entscheidung ist insofern bemerkenswert, als der BFH früher für einige Fälle offenbar noch eine Aufteilung erwogen hatte. Davon ist er nunmehr – wohl endgültig (?) – abgerückt. Im Ergebnis hat der BFH damit – systematisch konsequent – eine Gestaltung abgesegnet, die darauf zielt, die Nichtsteuerbarkeit der Vermögensebene zu nutzen: Im Streitfall erzielte K zwar einen steuerpflichtigen Zinsüberschuss von 150 DM jährlich über die Dauer von ca. 5,5 Jahren, dem steht jedoch ein nichtsteuerbarer Zuwachs auf der Vermögensebene von 21726 DM gegenüber. Für den BFH war das jedoch nicht ausschlaggebend. Denn bei vorhandener Überschusserzielungsabsicht tritt die etwaige Absicht, daneben zusätzlich steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, zurück.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.07.2003, VIII R 43/01