Leitsatz
- Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags gegenüber einer Personengesellschaft kann unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu einer verfassungswidrigen Überbesteuerung im Sinne des sog. Halbteilungsgrundsatzes führen. Eine Aussetzung des Klageverfahrens im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2194/99 gegen das Urteil des BFH vom 11.8.1999 (XIR77/97, BStBl II 1999, S.771 = INF 1999, S.766) kommt deshalb nicht in Betracht.
- Das Klageverfahren gegen einen Gewerbesteuermessbescheid ist auch nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des FG Niedersachsen zur Verfassungsmäßigkeit der Gewerbeertragsteuer vom 21.4.2004 (4K317/91, EFG 2004, S.1065, Az.des BVerfG 1BvL2/04) auszusetzen (Bestätigung des Senatsurteils vom 24.2.2005, IVR23/03, INF 2005, S.564).
Sachverhalt
Eine GmbH & Co. KG machte mit einem Einspruch gegen Gewerbesteuermessbescheide die Verfassungswidrigkeit der Gewerbesteuer geltend und begehrte die anteilige Kürzung des Steuerbetrags mit der Folge, dass die Gesamtlast aus Einkommen-, Vermögen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag 50% des sog. Sollertrags nicht überschreitet. Zugleich beantragte sie, die Verfahren gemäß §363 Abs.2 AO ruhen zu lassen, bis der BFH über Verfahren zum sog. Halbteilungsgrundsatz entschieden habe. Nachdem das Finanzamt gleichwohl über die Einsprüche entschieden und das FG dessen Entscheidung bestätigt hat, begehrt die KG Zulassung der Revision sowie Aussetzung bzw. Ruhen des Verfahrens wegen des vor dem BVerfG unter Az. 1 BvL 2/04 anhängigen Verfahrens zur Verfassungswidrigkeit der Gewerbesteuer.
Entscheidung
- Der BFH hat das Verfahren nicht ausgesetzt, weil er die Gewerbeertragsteuer anders als das FG Niedersachsen für verfassungsgemäß hält und auch nicht von einer Änderung der entsprechenden Auffassung des BVerfG ausgeht. Zudem sieht er selbst bei einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG keine Auswirkungen auf den Streitfall, weil allenfalls mit einer Unvereinbarkeitserklärung des BVerfG und einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers für die Zukunft zu rechnen sei. Dementsprechend stellt die unterlassene Aussetzung durch das FG auch keinen Verfahrensfehler der angefochtenen Entscheidung dar.
- Eine Aussetzung ist auch nicht bis zur Entscheidung des BVerfG in der Sache 2BvR2194/99 geboten, weil jenes Verfahren lediglich den Inhalt des sog. Halbteilungsgrundsatzes und seine Anwendbarkeit auf die Ertragsteuern und damit nicht die Gewerbesteuermessbescheide betrifft. Da die KG lediglich Steuersubjekt hinsichtlich der Gewerbesteuer, nicht aber hinsichtlich der Einkommensteuer ist, kann sich für sie eine Belastung des sog. Sollertrags jenseits der vom BVerfG als zulässig erachteten Grenze von etwa 50% nicht ergeben. Eine Überbelastung könnte allenfalls bei ihren Gesellschaftern eintreten, soweit die für diese festzusetzende Einkommensteuer in Verbindung mit der auf sie entfallenden, nach Abzug der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe verbleibende Belastung mit Gewerbesteuer auf der Ebene der Gesellschaft diese Grenze übersteigt. Im Übrigen kann ein Gewerbesteuermessbescheid niemals zu einer verfassungswidrigen Überbesteuerung führen, weil sich seine Regelungswirkung auf die Festsetzung des Steuermessbetrags beschränkt und die tatsächliche Steuerbelastung erst durch den Gewerbesteuerbescheid unter Ansatz des jeweiligen Hebesatzes festgesetzt wird. Im Hinblick darauf war die Revision auch nicht wegen Erheblichkeit der anhängigen verfassungsgerichtlichen Verfahren für das Streitverfahren zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
Praxishinweis
Auszusetzen ist ein finanzgerichtliches Verfahren nach §74 FGO u.a., wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, zahlreiche Parallelverfahren vorliegen, keiner der Beteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat und eine gegebenenfalls die Verfassungswidrigkeit bejahende Entscheidung des BVerfG für das auszusetzende Verfahren entscheidungserheblich ist.
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 15.3.2005, IV B 91/04