Leitsatz

Ist der Organträger Geschäftsführer einer von der Insolvenz bedrohten Organgesellschaft und wird dieser nach Beantragung des Insolvenzverfahrens kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, bleibt die Organschaft regelmäßig bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten. Dies gilt auch dann, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 22. Alternative InsO anordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

 

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH und hatte dieser das Betriebsgrundstück vermietet. Die GmbH war als Organgesellschaft in das Unternehmen des Klägers nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eingegliedert. Am 17.2.1999 ordnete das AG Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit diesem Datum hielt der Kläger die Organschaft für beendet. Dementsprechend gab er Umsatzsteuererklärungen für die Organschaft für den Zeitraum vom 1.1.1999 bis 16.2.1999 und für das Besitzunternehmen für den Zeitraum vom 17.2.1999 bis zum 31.12.1999 ab. Das Finanzamt hielt die Organschaft erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 26.4.1999 für beendet und setzte gegen den Kläger für das (gesamte) Jahr 1999 Umsatzsteuer fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Auch die Revision blieb erfolglos. Der Kläger war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH am 26.4.1999 deren Organträger:

  • Die GmbH war finanziell in das Unternehmen des Klägers eingegliedert, der als alleiniger Gesellschafter der GmbH über sämtliche Stimmrechte an ihr verfügte.
  • Die wirtschaftliche Eingliederung ergab sich bereits daraus, dass der Kläger der GmbH das Betriebsgrundstück vermietet hatte[1].
  • Die organisatorische Eingliederung folgte daraus, dass der Kläger zugleich Geschäftsführer der GmbH war und seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter[2] übergegangen war.

Der vorläufige Insolvenzverwalter, auf den infolge eines allgemeinen Verfügungsverbots die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, wird auch als "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet. Seine Rechtsstellung unterscheidet sich deutlich von der des sog. "schwachen" Insolvenzverwalters, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nicht übergegangen ist. Im Streitfall hatte das AG der GmbH kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, sondern lediglich gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 22. Alternative InsO angeordnet, dass Verfügungen der GmbH nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sein sollten. Demnach war die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen. Damit blieb die organisatorische Eingliederung der GmbH in das Unternehmen des Klägers erhalten. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass das AG den vorläufigen Insolvenzverwalter ermächtigt hatte, in dringenden Fällen mit rechtlicher Wirkung für die Schuldnerin zu handeln. Diese Ermächtigung galt nur für den Fall, dass ein Handeln zur Erfüllung der Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters schon vor der Verfahrenseröffnung dringend erforderlich gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Fall eingetreten ist, gibt es nicht. Jedenfalls ändert die Ermächtigung nichts daran, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter grundsätzlich keine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich war.

Soweit der Senat es bei der Sequestration von den Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht hat, ob dem Sequester eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich ist, kann diese Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen werden. Die Sequestration war in der KO nicht ausdrücklich geregelt. Dagegen regelt die InsO die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters klar; nach § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter dann über, wenn dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt ist. Insoweit sind deshalb nicht die Gesamtumstände des Einzelfalls maßgeblich, vielmehr ist erheblich, ob dem Schuldner gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 21. Alternative InsO ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist.

 

Praxishinweis

Will der Organträger Einwendungen gegen die Art der Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters geltend machen, z.B. dass dieser sehr wohl in der Lage gewesen sei, Entscheidungen gegen den Willen des Organträgers zu treffen, so sollte er dies bereits vorweg zivilrechtlich – gegen die Wirksamkeit von Entscheidungen des vorläufigen Insolvenzverwalters – tun. Im Besteuerungsverfahren dürfte es dazu regelmäßig zu spät sein. Der bis dahin verwirklichte Sachverhalt ist dan...

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?