Leitsatz

Die Tätigkeit als Fremdsprachenassistentin, die darin besteht, in Frankreich an einer Schule Deutschunterricht zu erteilen, ist bei einem Kind, das ein Studium der Politikwissenschaft aufnehmen will, nicht als Teil der Berufsausbildung anzusehen (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 14.1.2000, VI R 11/99, BStBl II 2000, S. 199 = INF 2000, S. 346).

 

Sachverhalt

Eine Mutter erhielt für ihre 1977 geborene Tochter, die sich nach dem Ende ihrer Schulausbildung um einen Studienplatz für Politikwissenschaft beworben hatte, bis Oktober 1997 Kindergeld. Nach Ablehnung der Bewerbung wies die Universität der T im Nachrückverfahren einen Studienplatz zu, sofern sich T am 9. oder 10.10.1997 einschreiben würde. Das geschah aber nicht, da sich T in Frankreich aufhielt, wo sie bis Mitte September ein Praktikum in einem Tourismus-Informationsbüro absolvierte und ab Oktober 1997 bis Mitte Mai 1998 die Stelle einer Fremdsprachenassistentin an einer Schule annahm, wo sie Deutschunterricht erteilte. Im Juli 1998 schrieb sich T in einer anderen Universität ein und nahm ihr Studium dort zum Wintersemester 1998/99 auf. Den Antrag auf Weiterzahlung des Kindergeldes ab November 1997 lehnte die Familienkasse ab. Hierzu hatte die Mutter vorgetragen, der Zulassungsbescheid im Nachrückverfahren sei erst am 9. oder 10.10.1997 zugegangen, so dass es T praktisch unmöglich gewesen sei, sich einzuschreiben. Die gegen die Ablehnung erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Der BFH wies auch die Revision zurück.

 

Entscheidung

T konnte weder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen[1], noch befand sie sich in Frankreich in Berufsausbildung[2]. Was den fehlenden Ausbildungsplatz betrifft, ist zusätzliche Voraussetzung, dass er im Erfolgsfall auch angetreten werden könnte. Zweck der Vorschrift ist es nämlich, Kinder, die erfolglos nach einem Ausbildungsplatz suchen, mit solchen gleichzustellen, die bereits einen Ausbildungsplatz gefunden haben. Denn in beiden Fällen besteht bei typisierender Betrachtung für die Eltern die gleiche Unterhaltssituation. Im Streitfall scheiterte die Ausbildung der Tochter nicht am fehlenden Ausbildungsplatz, sondern – unabhängig von der Einschreibemöglichkeit – daran, dass sie sich bis Mai 1998 zu einer Tätigkeit in Frankreich verpflichtet hatte und deshalb dem Studium nicht nachgehen konnte.

Die Tätigkeit als Fremdsprachenassistentin an einer französischen Schule war auch nicht Teil der Berufsausbildung. Eine solche liegt nicht bei jedem Auslandsaufenthalt vor, der zur Verbesserung der Sprachkenntnisse führt. Sprachaufenthalte gehören vielmehr nur dann zur Berufsausbildung, wenn sie mit anerkannten Formen einer Ausbildung verbunden sind, z.B. beim Besuch einer Universität, oder – wie beim Au-pair-Verhältnis möglich – von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden. Vergleichbares ist hier nicht geschehen.

 

Praxishinweis

Die Tatsache, dass der Beginn oder die Fortsetzung der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Fehlen eines Ausbildungsplatzes scheitern darf, hat nicht zur Folge, dass das Kind in der Wartezeit nicht anderen – auch bezahlten – Betätigungen nachgehen darf, solange es nur ausbildungswillig und -bereit ist. Der BFH brauchte dem Einwand, T habe ihre Unterrichtstätigkeit in Frankreich jederzeit abbrechen können, nicht nachzugehen, weil der Vortrag neu und daher im Revisionsverfahren unbeachtlich war. Eine andere Frage ist, ob sie zusätzlich noch hätte vortragen müssen, dass sie sich trotz abgelehnter Bewerbung weiterhin um einen Studienplatz bemüht habe. Für den Sprachaufenthalt in Frankreich dürfte der Kindergeldanspruch bei besserer Beratung eher zu retten gewesen sein, da der Nachweis des von der Rechtsprechung geforderten theoretisch-systematischen Sprachunterrichts bei einigem Bemühen zu bewerkstelligen sein dürfte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.07.2003, VIII R 79/99

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