Leitsatz

Von der Sanierungsabsicht aller auf Forderungen verzichtender Gläubiger ist auszugehen, wenn unter ihrer Mitwirkung ein Plan zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens aufgestellt wird, der sich über einen längeren (auch über ein Wirtschaftsjahr hinausreichenden) Zeitraum erstreckt, innerhalb dessen die Gläubiger schrittweise auf Forderungen verzichten sollen.

 

Sachverhalt

Die Gesellschafterinnen einer GbR, deren Zweck der Erwerb, die Renovierung und die anschließende Verwaltung und Nutzung eines mit einem denkmalgeschützten Haus bebauten Grundstücks war, begehren die Anerkennung eines Teilerlasses von Darlehensforderungen einer Bank gegen die GbR als steuerfreien Sanierungsgewinn nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. Der Erlass war erfolgt, nachdem die Bank im Streitjahr aufgrund ausbleibender Zins- und Tilgungsleistungen sämtliche Darlehen (4,6 Mio. DM) ebenso wie andere Gläubiger Darlehen über 5 Mio. DM gekündigt und die Gesellschafterinnen mit einer anderen Bank einen Sanierungsplan erarbeitet hatten, der weitere Privateinlagen sowie einen weiteren Kredit von 1,4 Mio. DM der anderen Bank vorsah. Auf dieser Grundlage sowie im Hinblick auf eine Rückzahlung des restlichen Kredits von 3,7 Mio. DM erfolgte der Teilerlass der Darlehensforderung. Später wurde die GbR nach Zuführung von weiterem Eigenkapital abgewickelt.

Die Gesellschafterinnen behandelten den Teilerlass als steuerfreien Sanierungsgewinn i.S. des § 3 Nr. 66 EStG a.F. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil die Bank nicht mit Sanierungsabsicht erlassen habe. Außerdem sei ein Teilerlass von 1 Mio. DM nicht geeignet gewesen, die Ertragsfähigkeit des Unternehmens wieder herzustellen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Das FG hat laut BFH die Sanierungsabsicht der Gläubigerbank zu Unrecht verneint. Nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. waren Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstanden, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen wurden, von der Einkommensteuer befreit. Die Steuerfreiheit setzt im Einzelnen voraus, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, die Gläubiger in Sanierungsabsicht handeln und der Schulderlass sanierungsgeeignet ist. Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, ist das Vorliegen eines steuerfreien Sanierungsgewinns zu verneinen[1]. Nach dieser Rechtsprechung ist ohne weitere Prüfung von der Sanierungsabsicht auszugehen, wenn sich mehrere Gläubiger an einem Schulderlass beteiligen. Diese Voraussetzung ist nicht nur dann erfüllt, wenn der Verzicht aller Gläubiger im Laufe eines Wirtschaftsjahrs erfolgt. Wird unter Mitwirkung mehrerer Gläubiger ein Plan zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens aufgestellt, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, innerhalb dessen die Gläubiger schrittweise auf Forderungen verzichten, ergibt sich aus diesem Plan ebenfalls, dass nicht allein die Interessen eines Gläubigers für den Schulderlass maßgebend waren. Das FG hat deshalb zu Unrecht allein auf den im Streitjahr erfolgten Forderungsverzicht der Bank abgestellt. Es hätte dem Vorbringen der Klägerinnen Bedeutung beimessen müssen, dass der Verzicht im Zusammenhang mit einem Sanierungsplan stand, in dessen Rahmen auch noch spätere Forderungsverzichte durch andere Gläubiger erfolgt sind. Selbst bei einer isolierten Betrachtung des Forderungsverzichts der Bank muss von deren Sanierungsabsicht ausgegangen werden, wenn der Sanierungsplan den von den Klägerinnen behaupteten Inhalt hatte. Wird ein Sanierungsplan aufgestellt, der die Ablösung eines alten Kreditgebers durch Beschaffung neuen Fremd- und Eigenkapitals vorsieht, kann der Verzicht des ausscheidenden Kreditgebers auf einen gewichtigen Teil seiner Forderung nur mit der Herstellung der dauerhaften Zahlungsfähigkeit und damit der Sanierung des Unternehmens erklärt werden. Es reicht dabei aus, dass diese Sanierung nur ein Nebenziel des Gläubigers ist, das erreicht werden muss, um Kapital zur Ablösung des Restkredits zu beschaffen.

 

Praxishinweis

Ein Unternehmen ist als sanierungsbedürftig anzusehen, wenn ohne die Sanierung die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebs und die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden könnte[2]. Wird das Unternehmen als Personengesellschaft geführt, liegt Sanierungsbedürftigkeit nur vor, wenn der erforderliche Finanzbedarf im Zeitpunkt des Schulderlasses auch aus dem Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter nicht gedeckt werden konnte[3].

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.04.2003, IV R 63/01

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