Leitsatz
Die Rechtmäßigkeit eines auf Aufdeckung unbekannter Spekulationsgewinne gerichteten Sammelauskunftsersuchens an ein Kreditinstitut ist wegen der unmittelbar bevorstehenden Entscheidung des BVerfG über einen Vorlagebeschluss des BFH wegen der Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Spekulationsgewinne ernstlich zweifelhaft.
Sachverhalt
Das Finanzamt richtete an eine Sparkasse ein Auskunftsersuchen betreffend sämtliche Wertpapierabrechnungen und Orderaufträge über Veräußerungsgeschäfte für in- und ausländische Aktien und Fondsanteile, soweit diese den "Neuen Markt" beträfen, zu einem Spekulationsgewinn von mindestens 1000 DM aus einem einzelnen Veräußerungsgeschäft geführt hätten und von einer natürlichen Person getätigt worden seien. Dagegen klagt die Sparkasse vor dem FG, das ihr Aussetzung der Vollziehung gewährt hat.
Entscheidung
Der BFH hat die vom FG zugelassene Beschwerde des Finanzamts zurückgewiesen. Der geschuldete "Respekt" vor dem Vorlagebeschluss des IX. Senats des BFH an das BVerfG begründe ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der den Steueranspruch bei Spekulationsgewinnen regelnden Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 1997 a.F., und zwar ungeachtet dessen, ob der beschließende VII. Senat die verfassungsrechtlichen Erwägungen dieses Beschlusses für überzeugend halte oder nicht. Der VII. Senat mochte auch nicht selbst beurteilen, ob aus den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Norm auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines auf die Norm gestützten Steuerbescheids folgen, wie vom IX. Senat an- und vom BMF hingenommen. Der hierdurch eingetretene "vorläufige bundesweite Rechtsfrieden" solle nicht gestört werden.
Dies habe zur Folge, dass ernstliche Zweifel an der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit des Auskunftsersuchens bestünden, weil es keinen Sinn mache, umfangreiche und aufwändige Ermittlungen durchzuführen, die möglicherweise vergeblich seien, wenn das BVerfG die Spekulationssteuer als verfassungswidrig erachte. Festsetzungsverjährung drohe nicht, weil das BVerfG bald eine Entscheidung treffen wolle.
Praxishinweis
Die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines Sammelauskunftsersuchens im Bankenbereich dürften noch Stoff für Diskussionen und neue BFH-Entscheidungen bieten. Nach einem obiter dictum der Besprechungsentscheidung soll etwa unter "sparkasseninternen Informationen", auf die vorgenannte Entscheidung in einer wohl noch erläuterungs- und rechtfertigungsbedürftigen Weise abstellt, weder ein Geschäftsbericht noch sonstige Publikationen der Sparkasse zu verstehen sein, sondern nur "solche Auskünfte, die von Personen aus dem Bankbereich anlässlich von Anzeigen, Erkundigungen bei und Gesprächen mit Bankmitarbeitern sowie bereits auf Grund von ersten durchgeführten Prüfungen und Auswertungen von zur Verfügung gestellten Bankunterlagen gewonnen worden sind".
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 21.10.2003, VII B 85/03