Leitsatz
- Die Bestandskraft eines nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO ergangenen Steueränderungsbescheids steht einer erneuten Änderung der Steuerfestsetzung nach dieser Vorschrift unter Berufung auf die vorausgegangene Zustimmung bzw. den vorausgegangenen Antrag entgegen.
- Die Ersetzungsregelung des § 365 Abs. 3 AO findet keine analoge Anwendung auf Änderungen nach den §§ 172ff. AO außerhalb eines Einspruchsverfahrens.
Sachverhalt
Ehegatten, die für das Streitjahr 1997 vorbehaltlos zur Einkommensteuer veranlagt worden waren, teilten dem Finanzamt am 16.3.2000 mit, der Arbeitslohn sei wegen nicht erfasster Tantiemen um 457310 DM zu erhöhen. Das Finanzamt erließ am 8.5.2000 aus anderen Gründen den "Änderungsbescheid 1" ohne die am 16.3.2000 beantragte Erhöhung. Auf einen diesbezüglichen Einspruch vom 10.5.2000 erging am 18.7.2000 der "Änderungsbescheid 2", in dem – anders als von den Ehegatten beantragt – nicht 457310 DM, sondern nur 162273 DM zusätzlich als Arbeitslohn erfasst wurden. In einer Erläuterung dazu heißt es: "Ihrem Antrag vom 16.3.2000 wurde in vollem Umfang entsprochen. Hierdurch erledigt sich ihr Rechtsbehelf vom 10.5.2000." Nach einer Außenprüfung erging am 15.4.2002 der "Änderungsbescheid 3", der den Restbetrag der Tantieme von 295037 DM erfasste. Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG statt. Die Revision des Finanzamts hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO kann ein Steuerbescheid zu Lasten des Steuerpflichtigen geändert werden, wenn er dies beantragt bzw. dem zustimmt. Eine erneute oder eine fortdauernde ältere Zustimmung lag aber nicht mehr vor. Denn der diesbezügliche Antrag vom 16.3.2000 war durch den "Änderungsbescheid 2" – wie sich aus den Erläuterungen des Finanzamts ergibt – beschieden worden. Zwar hat der "Änderungsbescheid 2" den Antrag nicht voll ausgeschöpft. Der nicht erledigte Teil ist aber nicht Gegenstand des Verfahrens geblieben. Denn die diesbezügliche Regelung in § 365 Abs. 3 AO für das Einspruchsverfahren ist auf einen außerhalb eines solchen Verfahrens ergehenden Änderungsbescheid nicht anwendbar. Insofern regeln die §§ 172ff. AO das Spannungsverhältnis zwischen materiell richtiger Steuer (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) und Vertrauen auf die Bestandskraft (Rechtssicherheit) abschließend. Das Finanzamt hätte den als unzutreffend erkannten Bescheid nur ändern können, wenn eine Berichtigungsmöglichkeit vorgelegen hätte. Das war nicht der Fall.
Praxishinweis
Das Ergebnis wäre nicht anders gewesen, wenn die Steuerpflichtigen die Tantiemen von Anfang an zutreffend erklärt hätten, das Finanzamt diese aber irrtümlich nicht in vollem Umfang erfasst hätte. Denn steuererhebliche Tatsachen wären nicht nachträglich i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt geworden. Eine Änderung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO wäre in Betracht gekommen, wenn der relevante Sachverhalt versehentlich nicht übernommen wurde, nicht aber, wenn ein bekannter Sachverhalt – wie hier – unzutreffend gewürdigt wurde.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 7.11.2006, VI R 14/05