Leitsatz (amtlich)

Ein Grundstückserwerb zur Erfüllung eines auf Geld gerichteten Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs "an Erfüllungs statt" ist nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer befreit (Aufgabe des BFH-Urteils vom 30.9.1981, II R 64/80, BStBl lI 1982, S. 76 = INF 1982, S. 144).

 

Sachverhalt

Durch gemeinsames Testament setzten sich die Eltern der Klägerin gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Nach dem Tode des überlebenden Ehegatten sollte der beiderseitige Nachlass an die Klägerin und ihre beiden Schwestern fallen. Die Schwestern sollten je 41,665 %, die Klägerin 16,67 % des Nachlasses erhalten. Vor ihrem Tode machten die Ehegatten den Schwestern umfangreiche, vor allem aus Grundbesitz bestehende Vorschenkungen. 1992 verstarb der Vater, 1993 die Mutter der Klägerin. Im Nachlass befand sich kein Grundbesitz mehr. Nach dem Tod der Mutter machte die Klägerin den Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend. Am 7.5.1993 schlossen die Klägerin und ihre Schwestern eine als "Teilerbauseinandersetzung" bezeichnete notarielle Vereinbarung. Diese ging davon aus, dass die drei Töchter die Erbschaft nach ihrer Mutter angenommen hätten. Die als Miterbin bezeichnete Klägerin schied durch Übertragung ihres Erbteils zu gleichen Teilen auf ihre beiden Schwestern aus der Erbengemeinschaft aus. Im Gegenzug verpflichteten sich ihre Schwestern, drei bisher in deren Miteigentum stehende, aus Vorschenkungen der Mutter stammende Grundstücke auf die Klägerin zu übertragen. Das Finanzamt setzte gegen die Klägerin GrESt fest. Als Bemessungsgrundlage zog es den nach ihrem Anteil am Nachlass berechneten Wert des Erbteils der Klägerin heran. Mit der dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, der Erwerb im Wege der Teilerbauseinandersetzung sei nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 von der GrESt befreit. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

Das FG ist davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Pflichtteilsanspruch und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zugestanden und sie diese Ansprüche geltend gemacht habe. Danach ist der durch den Vertrag vom 7.5.1993 erfolgte Übergang der Grundstücke auf die Klägerin kein Grundstückserwerb der Klägerin von Todes wegen i.S. des ErbStG; denn Pflichtteilsund Pflichtteilsergänzungsanspruch sind auf Erfüllung in Geld gerichtet. Von Todes wegen erworben wurden diese Geldansprüche. Die Erfüllungsabrede vom 7.5.1993 (Übertragung von Grundstücken an Erfüllungs statt) hat das ursprüngliche Schuldverhältnis zwar zum Erlöschen gebracht, dessen für die ErbSt maßgeblichen Inhalt (Geldanspruch) aber nicht verändert. Dies gilt sowohl für den Pflichtteilsanspruch[1] als auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch, da insoweit zivilrechtlich kein relevanter Unterschied zwischen beiden Anspruchsarten besteht.

Grunderwerbsteuerrechtlich hat dies zur Folge, dass die Hingabe eines Grundstücks an Erfüllungs Statt für den geltend gemachten Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 von der Besteuerung ausgenommen ist; denn diese Vorschrift setzt voraus, dass das nämliche Grundstück Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen i.S. des ErbStG ist.

Durch den Vertrag vom 7.5.1993 sind Ansprüche der Klägerin auf Übertragung des Eigentums an inländischen Grundstücken begründet worden. Dieser Vorgang unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der GrESt. Eine GrESt-Befreiung nach § 3 GrEStG 1983 ist nicht gegeben. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin zivilrechtlich ihre Erbenstellung aufgrund der Verwirkungsklausel im Testament ihrer Eltern verloren hat und ihr stattdessen Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche zustanden, oder ob sie Erbin geblieben ist.

Hatte die Klägerin bereits aufgrund der Verwirkungsklausel ihre Erbenstellung verloren, so hat sie - zivilrechtlich - die Grundstücke in Erfüllung ihrer auf Geld gerichteten Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche erhalten. Hierfür kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 nicht in Betracht. Die erworbenen Grundstücke gelten auch nicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG fiktiv als vom Erblasser zugewendet und damit als von Todes wegen erworben. Die Klägerin hat auf keinen Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch verzichtet, sondern diese geltend gemacht und die Grundstücke an Erfüllungs statt erhalten. Damit liegen auch die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG nicht vor.

Ist die Klägerin zivilrechtlich Erbin geblieben, so hat sie die Grundstücke für die Aufgabe (Übertragung) ihrer Miterbenstellung erhalten. Zwar diente das Rechtsgeschäft der Teilung des Nachlasses; die Voraussetzungen des § 3 Nr. 3 GrEStG 1983 für den Erwerb der Grundstücke durch die Klägerin sind jedoch gleichwohl nicht erfüllt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Grundstücke nicht aus dem Nachlass erworben w...

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