Leitsatz (amtlich)
- Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG 1983 erfasst nur Grundstückserwerbe zwischen Partnern einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts. Grundstücksübertragungen zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind danach nicht von der Grunderwerbsteuer befreit.
- Die Nichtgewährung einer Grunderwerbsteuerbefreiung für Grundstücksübertragungen zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft - auch wenn aus dieser gemeinsame Kinder hervorgegangen sind - verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
Sachverhalt
Der Kläger lebte seit Jahren mit Frau A in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, aus der zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen sind. Durch notariellen Vertrag vom 1.9.1994 erwarben der Kläger und Frau A ein Grundstück als Miteigentümer je zur Hälfte. Durch notariellen Vertrag vom 29.12.1995 erwarb der Kläger von Frau A deren Miteigentumsanteil an dem Grundstück. Am 9.9.1999 heirateten der Kläger und Frau A. Das Finanzamt setzte für den Vertrag vom 29.12.1995 gegen den Kläger GrESt fest. Klage und Revision des Klägers blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Nach § 3 Nr. 4 GrEStG 1983 ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Besteuerung ausgenommen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall nicht gegeben. Maßgebend für die Erfüllung eines Steuerbefreiungstatbestands sind bei der GrESt grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer. Das gilt auch für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG 1983. Maßgebender Zeitpunkt ist daher der notarielle Vertrag vom 29.12.1995 und nicht die erst nach Eheschließung erfolgte Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Am 29.12.1995 waren die Vertragschließenden noch nicht verheiratet.
Die Bedeutung der Worte "Ehe" bzw. "Ehegatten" sind eindeutig und keiner Auslegung zugänglich. § 3 Nr. 4 GrEStG 1983 kann daher nicht - auch nicht durch verfassungskonforme Auslegung - auf Erwerbe von Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Kindern ausgedehnt werden. Die Nichtgewährung einer GrESt-Befreiung für Erwerbsvorgänge zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, aus der gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, verstößt nicht gegen das GG. Art. 6 Abs. 1 GG stellt u.a. die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates. Dies ermöglicht es dem Gesetzgeber, ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG Regelungen zu treffen, die zwischen Ehegatten und Nichtehegatten differenzieren und erstere begünstigen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist es danach auch zulässig, dass Ehegatten gegenüber Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft steuerrechtlich privilegiert werden. Auch nach Auffassung des BVerfG verlangt das GG keine übereinstimmenden steuerrechtlichen Folgerungen für die Ehe und die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Die inzwischen eingetretene (annähernde) rechtliche Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit der bürgerlichen Ehe in einigen Rechtsgebieten stellt diese Sichtweise nicht in Frage. Nichteheliche Gemeinschaften unterscheiden sich weiterhin wesentlich von der Ehe, bei der das Gemeinschaftsverhältnis durch Gesetz eine eingehende Ordnung erfahren hat.
Auch wenn man die nichteheliche Lebensgemeinschaft des Klägers, aus der gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, als Familie i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG ansieht, führt dies zu keiner Verfassungswidrigkeit der grunderwerbsteuerrechtlichen Regelung. Zwar fiele der Kläger damit in den von Art. 6 Abs. 1 GG postulierten Schutz zugunsten der Familie; daraus lässt sich jedoch keine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers ableiten, Erwerbsvorgänge zwischen Mitgliedern einer so verstandenen Familie von der GrESt freizustellen. Der besondere Schutz, den die Verfassung der Familie angedeihen lässt, lässt zwar steuerliche Begünstigungen zugunsten der Familie zu, gebietet diese aber nicht schlechthin.
Link zur Entscheidung
BFH vom 25.4.2001 – II R 72/00