Leitsatz
Wird ein Bescheid ausdrücklich als Erbschaftsteuerbescheid bezeichnet, werden damit nur Erwerbe von Todes erfasst. Eine "Mitbesteuerung" früherer Schenkungen ist regelmäßig von dessen Regelungsinhalt nicht gedeckt.
Sachverhalt
Nach dem Tod von Frau M wurde deren Tochter Alleinerbin; der Sohn erhielt den Pflichtteil. Zuvor hatte M ihrem Sohn bereits Bargeld und ein "Grundstück" in den neuen Bundesländern geschenkt. Für dieses Grundstück bestand zu diesem Zeitpunkt nur ein vermögensrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung oder Entschädigung. Die Eigentumsübertragung am Grundstück selbst erfolgte erst nach dem Tod von M. Das Finanzamt hat an den Sohn einen "Erbschaftsteuerbescheid" erteilt und darin Erbschaftsteuer für den Pflichtteil und die als Vorerwerbe anzusehende Schenkung des Grundstücks und Bargelds festgesetzt. Nach erfolglosem Einspruch hat das FG die Erbschaftsteuer herabgesetzt. Hiergegen erhob das Finanzamt Revision.
Der BFH gab beiden Parteien teilweise Recht. Das Finanzamt lag insoweit falsch als es bei der Steuerberechnung einen Steuerabzug nach § 14 Abs. 1 ErbStG für die früheren Erwerbe (Vorschenkungen) nicht vorgenommen hat. Der ergangene Steuerbescheidumfasst nach dessen Inhalt und Bezeichnung nur den Erwerbvon Todes wegen, nicht dagegen die Vorschenkungen. Entscheidend ist nicht der Wille des Finanzamts auch die Schenkungen mit zu erfassen, sondern was nach dem Regelungsinhalt des Bescheids als dessen Inhalt anzusehen ist. Da der Bescheid ausdrücklich als "Erbschaftsteuerbescheid" bezeichnet war und als Besteuerungsgegenstand der Erwerb von Todes wegen genannt ist, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass zugleich auch die Vorschenkungen zu dessen Inhalt gehörten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in die Steuerberechnung die Werte für die Vorerwerbe als Hinzurechnung nach § 14 ErbStG eingeflossen sind.
Das FG hatte hingegen zu Unrecht eine Grundstücksschenkung nach dem Tod angenommen. Tatsächlich ist aber eine Schenkung bereits zu Lebzeiten der M anzunehmen, da Gegenstand der Schenkung der Erwerb des Restitutionsanspruchs gegen das Amt für offene Vermögensfragen war. Diese Forderung ist bereits vor dem Tod der M übergegangen und ist somit kein Erwerb von Todes wegen.
Hinweis
Erlässt das Finanzamt einen "zusammengefassten" Bescheid, sollte dieser genau geprüft werden. Häufig wird sich aus dessen Inhalt nicht hinreichend ergeben, dass damit sowohl eine Schenkung vor dem Tod als auch der Erwerb durch den Erbfall besteuert werden (Schenkungs- und Erbschaftsteuerbescheid). Nach der Rechtsprechung, z.B. Urteil des BFH v. 30.11.1999, BFH/NV 2000 S. 678 ist dabei maßgebend, wie der Empfänger den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 133 BGB) verstehen konnte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 24.8.2005, II R 16/02.