Leitsatz
Zu einem Klageverfahren, in dem geltend gemacht wird, der Rechnungsaussteller sei auch Lieferer gewesen, ist ein alternativ in Betracht kommender Lieferer nicht notwendig beizuladen.
Sachverhalt
Eine GmbH (Sicherungsgeberin) übereignete Fahrzeuge zur Sicherheit an eine Bank. Nach Ablehnung des Antrags der GmbH auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse verkaufte diese – im eigenen Namen und auf "eigene Rechnung" mit Einverständnis der Bank – im September 1995 die betreffenden Fahrzeuge an die Klägerin des Hauptsacheverfahrens. Die Bank finanzierte einen Teil des Kaufpreises. Ihre restlichen Darlehensforderungen wurden darauf im Oktober 1995 beglichen. Die Klägerin machte die ihr für den Erwerb der Fahrzeuge in Rechnung gestellte Umsatzsteuer erfolglos als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt war der Auffassung, Lieferantin der Klägerin sei nicht die Sicherungsgeberin, sondern die Bank als Sicherungsnehmerin gewesen ("Doppelumsatz"); ein Vorsteuerabzug aus der von der Sicherungsgeberin erteilten Rechnung sei deshalb nicht möglich. Auf Anregung der Klägerin beschloss das FG die Beiladung der Bank, weil die zu treffende Entscheidung auch deren Interessen berühre: Es sei festzustellen, ob leistender Unternehmer die GmbH oder die Bank gewesen sei. Das FG nahm einen Fall der notwendigen Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO an. Dagegen wendet sich die Bank mit der Beschwerde und dem Antrag, die Beiladung aufzuheben.
Entscheidung
Der BFH hob den Beiladungsbeschluss auf. Er verneinte die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO. Danach sind Dritte beizuladen, wenn sie an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt.
Zwar kommen als Lieferer an die Klägerin hier nur die GmbH oder die Bank in Betracht – letztere, falls ein sog. Doppelumsatz bei Verwertung von Sicherungsgut anzunehmen ist. Für eine notwendige Beiladung reicht dieser Zusammenhang aber nicht aus, da eine Entscheidung über den Vorsteuerabzug der Klägerin nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der beigeladenen Bank eingreift.
Für eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 AO fehlt es daran, dass das Finanzamt sie weder beantragt noch sonst veranlasst hat.
Der BFH ließ offen, ob die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung der Bank nach § 60 Abs. 1 FGO vorlagen. Die Beiladung dient auch den Interessen des Beizuladenden. Dieser soll durch die Beiladung die Möglichkeit erhalten, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Entsprechend kommt eine (einfache) Beiladung gegen den Willen des Beiladungsprätendenten nur ausnahmsweise in Betracht. Für eine solche Ausnahme sind hier aber keine hinreichenden Anhaltspunkte erkennbar.
Praxishinweis
Der Beschluss verneint nur die vom FG angenommenen Voraussetzungen der notwendigen Beiladung, schließt also eine einfache Beiladung nicht aus. Letztere sollte bei Meinungsunterschieden zwischen den Umsatzbeteiligten bzw. ihren Finanzämtern regelmäßig erwogen werden. Damit kann von vornherein auf eine einheitliche Umsatzbeurteilung gezielt werden.
Ein Umsatz betrifft regelmäßig zwei Steuerschuldverhältnisse, nämlich das des Leistenden und das des Leistungsempfängers (Vorsteuerabzug) – jeweils zu "ihrem" Finanzamt. Diese Steuerschuldverhältnisse sind grundsätzlich voneinander unabhängig. Deshalb können bestimmte Tatbestandsmerkmale in den jeweiligen Besteuerungsverfahren (endgültig) unterschiedlich beurteilt werden. Andererseits sollen aber die Voraussetzung der Umsatzbesteuerung des Leistenden bzw. des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers weitgehend deckungsgleich sein. Das gilt nicht nur für die Frage der Steuerbarkeit/Steuerpflicht/ Steuerfreiheit eines Umsatzes; es kann m. E. auch für die Feststellung des "richtigen" Leistenden oder Leistungsempfängers gelten.
Der BFH lässt daher in neuerer Rechtsprechung die Hinzuziehung bzw. Beiladung des einen Umsatzbeteiligten im Rechtsstreit des anderen Umsatzbeteiligten zu. Es handelt sich aber nur um Fälle einfacher Beiladung. Eine notwendige Beiladung wegen der Voraussetzungen eines Umsatzverhältnisses wurde bisher nicht angenommen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 27.02.2003, V B 131/01