Leitsatz

Der Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO setzt voraus, dass der von den Prozessbeteiligten nach Erlass eines dem Begehren des Steuerpflichtigen Rechnung tragenden Einkommensteuerbescheids übereinstimmend für erledigt erklärte Rechtsstreit ursächlich für die Herabsetzung der Steuer war.

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtigen, zusammen veranlagte Eheleute, erhoben gegen den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 1989 Klage, weil das Finanzamt Verluste des Ehemanns aus einer atypischen stillen Beteiligung an einer GmbH wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht und eines entsprechenden negativen Gewinnfeststellungsbescheids nicht anerkannt hatte. In der Folgezeit erkannte das Finanzamt in dem im Rechtsbehelfsverfahren geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1989 für die atypische stille Gesellschaft den vom Ehemann beanspruchten Verlustanteil an. Den mit der Klage angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1989 änderte das Finanzamt gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO entsprechend. Darauf erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit wegen Einkommensteuer 1989 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Das FG legte den Steuerpflichtigen die Kosten des Verfahrens auf. Den Antrag der Steuerpflichtigen auf Erstattung der Prozesszinsen gemäß § 236 AO lehnte das Finanzamt ab. Klage und Revision der Steuerpflichtigen blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO ist Abs. 1 dieser Vorschrift entsprechend anzuwenden (Rechtsgrundverweisung). Der den Grundtatbestand des Anspruchs regelnde § 236 Abs.1 AO fordert nicht nur die Beendigung des Rechtsstreits durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung. Prozesszinsen entstehen nach dieser Vorschrift vielmehr nur dann, wenn eine festgesetzte Steuer durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung herabgesetzt wird. Der bei Gericht anhängige Rechtsstreit muss somit ursächlich für die Herabsetzung der Steuer sein. Wenn Prozesszinsen aber nach dem Grundtatbestand des § 236 Abs. 1 AO nur dann entstehen, wenn der vom Steuerpflichtigen angestrengte Prozess kausal für die Herabsetzung der Steuer war, muss dieses Erfordernis auch in den in § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO geregelten Fällen gelten.

An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall. Die Herabsetzung der Einkommensteuer war nicht auf die prozessuale Erledigung des von den Steuerpflichtigen eingeleiteten Klageverfahrens zurückzuführen. Sie war lediglich verfahrensrechtliche Folge der Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1989 für die atypische stille Gesellschaft, die ihrerseits eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 1989 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nach sich zog.

 

Praxishinweis

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis werden nach § 233 Abs. 1 AO nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der zu erstattende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit bis zum Auszahlungstag zu verzinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt wird. Das gilt nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO entsprechend, wenn sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts erledigt.

Sowohl § 236 Abs. 1 AO als auch § 236 Abs. 2 AO setzen nach ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck voraus, dass der – wie auch immer – erledigte Rechtsstreit für die Steuerherabsetzung ursächlich (kausal) war. Dies war im Streitfall eindeutig zu verneinen. Die Anfechtungsklage gegen den Einkommensteuerbescheid 1989 kann ohne Weiteres weggedacht werden, ohne dass die begehrte Herabsetzung der Einkommensteuer entfallen wäre.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 15.10.2003, X R 48/01

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