Leitsatz
Unterbleibt beim Vermieter oder Verpächter die materiell-rechtlich gebotene Kürzung von Miet- oder Pachtzinsen (vgl. § 9 Nr. 4 GewStG), kann der Mieter oder Pächter keine Korrektur der bei ihm nach § 8 Nr. 7 GewStG vorgenommenen und bestandskräftig gewordenen Hinzurechnung zum Gewerbeertrag verlangen.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige betrieb eine Tankstelle und eine Raststätte. Räume und Inventar hatte er gepachtet. Der Verpächter hatte hinsichtlich der von ihm vereinnahmten Pachtzinsen keine Kürzung seines Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 4 GewStG vorgenommen. Dennoch rechnete das Finanzamt bei der bestandskräftig gewordenen Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags des Pächters die Hälfte der von ihm gezahlten Pachtzinsen gemäß § 8 Nr. 7 GewStG dem Gewerbeertrag hinzu. Der Pächter begehrte, diese bestandskräftige Hinzurechnung nach § 174 AO rückgängig zu machen, weil beim Verpächter eine Kürzung nach § 9 Nr. 4 GewStG unterblieben sei. Das Finanzamt lehnte dies ab. Klage und Revision des Pächters blieben erfolglos.
Entscheidung
§ 174 Abs. 1 AO erfordert das Vorliegen von (positiv) wider-streitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Ein "Widerstreiten" in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den kollidierenden Bescheiden getroffenen Regelungen aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen korrekt sein kann. Dies trifft hier nicht zu. § 8 Nr. 7 und § 9 Nr. 4 GewStG gehen zwar davon aus, dass die Hinzurechnung beim Pächter und die Kürzung beim Verpächter materiell-rechtlich korrespondieren. Der gegen den Mieter oder Pächter ergangene Gewerbesteuer-Messbescheid ist allerdings bereits dann rechtsfehlerfrei, wenn die Miet- oder Pachtzinsen beim Vermieter bzw. Verpächter zur Gewerbesteuer "heranzuziehen sind". Ob sie tatsächlich herangezogen worden sind oder nicht, ist mithin unerheblich. Folglich kann der Mieter oder Pächter nicht deswegen eine Änderung des bestandskräftig festgesetzten Gewerbesteuer-Messbetrags verlangen, weil die Miet- oder Pachtzinsen beim Vermieter oder Verpächter tatsächlich zur Gewerbesteuer herangezogen worden sind.
Praxishinweis
§ 8 Nr. 7 und § 9 Nr. 4 GewStG haben einen unterschiedlichen Wortlaut. Während nach § 8 Nr. 7 Satz 2 GewStG eine Hinzurechnung beim Mieter oder Pächter unterbleibt, soweit die Miet- oder Pachtzinsen beim Vermieter oder Verpächter zur Gewerbesteuer "heranzuziehen sind", kommt es für die Kürzung beim Vermieter oder Verpächter nach § 9 Nr. 4 GewStG darauf an, ob die Miet- oder Pachtzinsen beim Mieter oder Pächter (tatsächlich) "hinzugerechnet worden sind". Folglich ist die faktische Behandlung beim Mieter oder Pächter präjudiziell für die Kürzung oder Nichtkürzung beim Vermieter oder Verpächter. Dies schließt eine umgekehrte Vorgreiflichkeit der faktischen Behandlung beim Vermieter oder Verpächter für die Hinzurechnung oder Nichthinzurechnung beim Mieter oder Pächter aus. Daraus ergibt sich: Ist die den Mieter oder Pächter betreffende bestandskräftige Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags infolge einer materiell-rechtlich unzutreffenden Hinzurechnung der (hälftigen) Miet- oder Pachtzinsen rechtsfehlerhaft, so wird die materiell-rechtliche Entsprechung dadurch hergestellt, dass eine Kürzung beim Vermieter oder Verpächter unter Umständen im Widerspruch zum materiellen Recht – gegebenenfalls nachträglich – vorgenommen wird. Dies muss m.E. verfahrensrechtlich dazu führen, dass der Vermieter oder Verpächter im Gewerbesteuer-Messbetragsverfahren des Mieters oder Pächters hinzuzuziehen und beizuladen ist.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 7.7.2004, X R 26/01