Leitsatz

  1. Für den Veräußerungsgewinn aus der Übertragung von Aktien nach §§ 327 a ff. AktG (sog. Squeeze-out) kann keine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet werden.
  2. Es ist weder aus verfassungs- noch aus unionsrechtlicher Sicht zu beanstanden, dass § 8 b Abs. 3 KStG 2002 a.F. auch den Abzug von Veräußerungsverlusten und Teilwertabschreibungen ausschließt.
 

Sachverhalt

Eine GmbH und das Finanzamt stritten über folgende Fragen:

  • Die GmbH musste im Streitjahr 2002 im Zuge eines Ausschlussverfahrens Aktien veräußern, woraus ein Gewinn resultierte. Hierfür wurde eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet.
  • Die GmbH veräußerte in 2002 ihre Beteiligung an einer argentinischen Kapitalgesellschaft mit Verlust, den sie steuerwirksam geltend machte.
  • Eine portugiesische Tochterkapitalgesellschaft der GmbH stellte ihre Geschäftstätigkeit in 2003 ein und wurde danach liquidiert. Die GmbH nahm auf den Buchwert in 2002 eine Teilwertabschreibung vor.

Das Finanzamt lehnte Rücklagenbildung, Verlustabzug und Teilwertabschreibung ab. Klage und Revision blieben erfolglos.

 

Hinweis

Scheidet ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt oder infolge bzw. zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen aus und wird alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft, kann der Veräußerungsgewinn in einer Rücklage für Ersatzbeschaffung "geparkt werden".

Eine derartige "höhere Gewalt" besteht im Fall des Squeeze-out nicht. Wer sich als Minderheitsaktionär an einer AG beteiligt, muss immer damit rechnen, auf Verlangen des Hauptaktionärs ausgeschlossen zu werden.

Für die Frage, ob der Abzugsausschluss gem. § 8 b Abs. 3 Satz 3 KStG für "Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in Abs. 2 genannten Anteil stehen", gesetzeswidrig ist, gilt Folgendes:

  • Der Ausschluss umfasst auch Veräußerungsverluste; sie unterfallen nicht der "Steuerbefreiung" des § 8 b Abs. 2 KStG. Dies führt zu systematischen Verwerfungen: Veräußerungsgewinne sind letztlich nur zu 95 % steuerbefreit; Veräußerungsverluste bleiben zu 100 % unberücksichtigt.
  • Verluste in Verbindung mit Beteiligungen unterfallen auch dann dem Ausschluss, wenn sie nicht mit anteilsbezogenen Einnahmen parallel gehen. Derart hatte der IX. Senat im Hinblick auf § 3 c Abs. 2 Satz 1 und § 17 Abs. 1 und 4 EStG argumentiert. Der I. Senat stellt indes klar: § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG und § 8 b Abs. 3 Satz 3 KStG mag zwar dasselbe "symmetrische" Regelungskonzept zugrunde liegen. Es wird jedoch unterschiedlich verwirklicht: Bei § 3 c Abs. 2 EStG erfolgte bis zur Änderung durch das JStG 2010 eine Verknüpfung mit Einnahmen, bei § 8 b Abs. 3 KStG fehlt ein solcher Bezug.
  • Veräußerungs- und Liquidationsverluste aus Beteiligungen lösen kaum die Gefahr einer doppelten steuerlichen Berücksichtigung aus; sie sind vielmehr endgültig. Dennoch lässt § 8 b Abs. 3 KStG insoweit entgegen der Regelungsintention keine Ausnahme zu. Dies ist aus regelungstypisierender Sicht hinzunehmen und löst (noch) keinen Verfassungsverstoß aus.
  • Unionsrechtliche Bedenken sind ohne Grund: Inlands- und Auslandsbeteiligungen werden durch § 8 b Abs. 3 KStG gleichermaßen "schlecht" behandelt. Die einschlägigen Urteile des EuGH zum "finalen" Verlustabzug betreffen durchweg laufende ausländische Verluste, nicht aber – wie hier – Substanzverluste des Anteilseigners.
 

Link zur Entscheidung

BFH, 13.10.2010 I R 79/09.

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?