Leitsatz (amtlich)

Antrag und Zustimmung zum begrenzten Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) können nicht - auch nicht übereinstimmend - zurückgenommen oder nachträglich beschränkt werden.

 

Sachverhalt

Die Klägerin lebt seit 1.2.1993 von ihrem Ehemann, dem Beigeladenen, getrennt. Der Beigeladene beantragte am 30.9.1994 in seiner ESt-Erklärung für 1993, an die Klägerin gezahlte Unterhaltsleistungen von 6 175 DM als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG abzuziehen. Die Klägerin stimmte dem Antrag zu. Der ESt-Bescheid 1993 des Beigeladenen wurde bestandskräftig. Die Klägerin erklärte in ihrer ESt-Erklärung für 1993 u.a. Unterhaltsleistungen, die vom Geber als Sonderausgaben abgezogen werden können, in Höhe von 2 675 DM. Das Finanzamt legte im ESt-Bescheid der Klägerin Unterhaltsleistungen von 6 175 DM als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1a EStG zugrunde. Im Einspruchsverfahren beantragte die Klägerin unter Vorlage einer geänderten Anlage U, die nur von dem Beigeladenen unterzeichnet ist, Unterhaltsleistungen von lediglich 2 675 DM zu berücksichtigen. Einspruch, Klage[1] und Revision der Klägerin blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger (Geber), der Unterhalt an seinen geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten (Empfänger) leistet, die geleisteten Beträge bis zur Höhe von 27 000 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen, wenn er dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt (sog. begrenztes Realsplitting). Antrag und Zustimmung wirken rechtsgestaltend. Ohne Antragstellung sind die Unterhaltsleistungen nach § 12 Nr. 2 EStG grundsätzlich - ausgenommen im Falle von § 33a EStG - unbeachtlich. Durch die Antragstellung des Gebers mit Zustimmung des Empfängers werden sie zu Sonderausgaben, die vom Gesamtbetrag der Einkünfte des Gebers bis zur Höchstgrenze abgezogen werden. Der Antrag ändert den Rechtscharakter des Aufwands beim Geber und bewirkt gleichzeitig die Steuerpflicht der Unterhaltsleistungen beim Empfänger[2]. Geber und Empfänger können ihren Antrag bzw. ihre Zustimmung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2-4 EStG nicht - auch nicht übereinstimmend - zurücknehmen. Zurücknahme i.S. der Vorschrift ist auch die nachträgliche Verminderung des Betrags an Unterhaltsleistungen, für den der Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG ursprünglich gestellt wurde. Grund für die Bindung der Beteiligten an ihre nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG abgegebenen Erklärungen ist die rechtsgestaltende Wirkung der Zustimmungserklärung des Empfängers, die - zusammen mit dem Antrag des Gebers - Merkmal des gesetzlichen Tatbestands des § 10 Abs. Nr. 1 EStG ist und in dieser Eigenschaft die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Unterhaltsleistung an den Empfänger ändert[3]. Diese Rechtswirkung tritt nicht erst dann ein, wenn entsprechende Steuerbescheide des Gebers und Empfängers ergehen. Die Verwirklichung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit ihrer unmittelbaren Gestaltungs- und Bindungswirkung ist nicht Folge, sondern Voraussetzung für den Erlass von Steuerbescheiden, in denen das Finanzamt den Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben beim Geber vornimmt und den entsprechenden Betrag beim Empfänger der Besteuerung unterwirft. Die Wahlrechtsausübung bindet die Betroffenen bereits vor der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide. Die von der Klägerin angestrebte jederzeitige Ab-änderbarkeit der Erklärungen bis zur Unanfechtbarkeit der betreffenden Steuerbescheide ist damit ausgeschlossen.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 22.9.1999 - XI R 121/96

[3] Vgl. ebenda

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