Leitsatz
Wird eine gegen das Finanzamt gerichtete Forderung abgetreten und besteht für das Finanzamt im Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Abtretung eine Aufrechnungslage gegenüber dem bisherigen Gläubiger, die das Finanzamt nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 406 BGB berechtigt, die Aufrechnung mit seiner Gegenforderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger der Hauptforderung zu erklären, so werden diese eingetretenen Rechtswirkungen des § 406 BGB durch eine nachträglich vom Finanzamt gewährte Stundung der Gegenforderung, die auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Abtretung zurückwirkt, nicht beseitigt.
Sachverhalt
Mit Abtretungsanzeige vom Februar 1999 hatte ein Steuerpflichtiger gegenüber dem Finanzamt bestehende Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Später erklärte das Finanzamt gegenüber der Klägerin die Aufrechnung mit Gegenforderungen gegen den Steuerpflichtigen. Die betreffenden Steueransprüche waren 1998 festgesetzt worden. Einen diesbezüglichen Stundungsantrag hatte das Finanzamt zunächst abgelehnt. Erst im März 1999 stundete es die Forderungen, ordnete jedoch die Rückwirkung der Stundung auf einen Zeitpunkt an, der vor dem Eingang der Abtretungserklärung lag.
Entscheidung
Durch die Aufrechnung mit den Gegenforderungen des Finanzamts ist der abgetretene Anspruch erloschen. Die Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderung wird im vorliegenden Fall durch § 406 BGB fingiert. Nach dieser Vorschrift kann nämlich der Schuldner mit einer ihm gegen den bisherigen Gläubiger (Zedenten) zustehenden Forderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger (Zessionar) aufrechnen, es sei denn, dass er beim Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Diese Kenntnis hatte das Finanzamt nicht, als seine Forderungen fällig wurden. Allerdings hat es die Fälligkeit später, rückwirkend auf einen Zeitpunkt vor Kenntniserlangung, hinausgeschoben. Das vom Finanzamt einmal erworbene Recht zur Aufrechnung auch gegenüber dem Zessionar beseitigt diese Rückwirkungsfiktion jedoch nicht.
Praxishinweis
- Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und gegen solche Ansprüche sind nach § 226 Abs. 1 AO die Vorschriften des BGB sinngemäß anzuwenden.
- Obwohl Steuerverwaltungsakte rückwirkend erlassen werden können, lässt eine rückwirkende Stundung bis zum Erlass des Stundungsbescheids bereits eingetretene Rechtsfolgen der Säumnis nicht entfallen. Dies gilt insbesondere für Säumniszuschläge; die rückwirkende Stundung schafft allenfalls eine rechtliche Grundlage für deren Erlass, der durch gesonderten Bescheid erfolgen muss.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 8.7.2004, VII R 55/03