Leitsatz
Die durch Art. 1 InvZulÄndG vom 20.12.2000 eingeführte Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG, dass Investitionszulage für nachträgliche Herstellungsarbeiten i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1 InvZulG 1999 und auf nachträgliche Herstellungsarbeiten entfallende Anschaffungskosten i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1 InvZulG 1999 nur zu gewähren ist, wenn der Anspruchsberechtigte und im Veräußerungsfall der Erwerber für die Herstellungsarbeiten keine erhöhten Absetzungen in Anspruch nimmt, gilt nicht für Investitionen, die der Investor bereits vor der endgültigen Beschlussfassung des InvZulÄndG begonnen hat.
Sachverhalt
Die Investorin sanierte im Jahr 2000 Mietwohngebäude im Fördergebiet durch nachträgliche Herstellungsarbeiten. Anschließend teilte sie die Gebäude in Wohneigentum auf und veräußerte die Wohnungen an verschiedene Erwerber, die erhöhte Absetzungen nach § 7i EStG in Anspruch nahmen. Das Finanzamt versagte die Investitionszulage unter Hinweis auf die Neufassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 durch das InvZulÄndG vom 20.12.2000, in Kraft getreten am 28.12.2000. Nach dieser Gesetzesänderung sind Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohngebäuden nur noch dann begünstigt, wenn der Anspruchsberechtigte "und im Veräußerungsfall der Erwerber für die Herstellungsarbeiten" keine erhöhten Absetzungen in Anspruch nimmt.
Entscheidung
Nach der Gesetzesfassung nach dem StBereinG 1999 vom 22.12.1999 bestand das Kumulationsverbot zwischen Investitionszulagen und erhöhten Absetzungen nur, wenn Investor und Absetzungsberechtigter identisch waren. Durch das erst gegen Jahresende 2000 in Kraft getretene InvZulÄndG wurde das Kumulationsverbot auf den Fall fehlender Personenidentität erweitert. Danach steht dem Investor keine Investitionszulage zu, wenn der Erwerber erhöhte Absetzungen in Anspruch nimmt. Da die Gesetzesänderung ohne Überleitungsvorschrift und damit rückwirkend in Kraft getreten ist, bedeutet sie eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung. Denn im Bereich der Lenkungsnormen ist die Dispositionsentscheidung des Steuerpflichtigen geschützt, es sei denn, er hätte schon bei seiner Disposition mit der Rechtsänderung rechnen müssen oder öffentliche Belange wiegten schwerer als das geschützte Vertrauen. Beide Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige Rückwirkung lagen im Streitfall nicht vor. Zum einen war die frühere Rechtslage, nach der bei Personenverschiedenheit beide Vergünstigungen – Investitionszulage für den Investor und erhöhte Absetzungen für den Erwerber – in Anspruch genommen werden konnten, nach dem Wortlaut eindeutig und wurde auch im Schrifttum nicht angezweifelt. Zum anderen begründet allein die gesetzgeberische Absicht, Mehreinnahmen zu erzielen, kein überwiegendes Gemeinwohlinteresse. Das neue Kumulationsverbot ist daher frühestens für nachträgliche Herstellungsarbeiten anzuwenden, zu denen sich der Investor nach dem Gesetzesbeschluss am 20.12.2000 entschlossen hat.
Praxishinweis
Die Entscheidung hat wegen der Hervorhebung des besonderen Vertrauensschutzes im Bereich der Lenkungsnormen allgemeine Bedeutung. Trifft der Steuerpflichtige wegen eines steuerlichen Vorteils eine Entscheidung, die er ohne den steuerlichen Anreiz nicht getroffen hätte, werden die Bedingungen für seine Disposition zu einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage. Unterlässt es der Gesetzgeber, eine nachteilige Neuregelung durch eine Überleitungsvorschrift auf künftige Fälle zu begrenzen, sind die Gerichte befugt, den Anwendungsbereich der Neuregelung durch eine gesetzesändernde Lückenfüllung entsprechend einzuschränken. Eine Vorlage an das BVerfG ist dann nicht erforderlich.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 14.12.2006, III R 27/03