Leitsatz
Die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer im Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung bleiben auch maßgebend, wenn der Unternehmer von der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten zur Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten wechselt. Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 3 UStG enthält keine davon abweichende Regelung über die Entstehung der Steuer.
Sachverhalt
Das Finanzamt gestattete einer GbR, die ein Einkaufszentrum errichtete und vermietete, durch Verfügung vom Mai 1992, die Steuer für ihre Umsätze gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Die Genehmigung sollte beim Wegfall der Voraussetzungen ohne förmliche Aufhebung erlöschen. Im September 1992 verkaufte die GbR eine Teilfläche des Grundstücks einschließlich des inzwischen fertig gestellten Einkaufszentrums und stellte dem Erwerber eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis aus. Einen Entgeltteilbetrag hatte sie weder im Jahr 1992 noch im Streitjahr 1993 vereinnahmt und deshalb auch nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Bei der Veranlagung für 1993 (Streitjahr) gingen die Beteiligten vom Wegfall der Voraussetzungen einer Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten aus. Das Finanzamt unterwarf auch den vor dem Streitjahr 1993 ausgeführten Umsatz der Umsatzsteuer, soweit das Entgelt hierfür noch nicht vereinnahmt worden war. Nach erfolgreicher Klage der GbR vertrat das Finanzamt mit der Revision die Ansicht, beim Wechsel der Besteuerung von der Ist- zur Soll-Besteuerung berechtige § 20 Abs. 1 Satz 3 UStG, bisher nicht vereinnahmte Entgelte für ausgeführte steuerpflichtige Umsätze zu besteuern, weil die Vorschrift den Zeitpunkt des Entstehens der Steuer korrigiere.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Die Steuer für die aufgrund Option steuerpflichtige Lieferung des Einkaufszentrums im Jahr 1992 entstand gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG nur insoweit, als die GbR dafür Entgelt vereinnahmt hatte. Im Übrigenwar für diese Lieferung aus dem Jahr 1992 die Steuer im Streitjahr 1993 noch nicht entstanden.
Die GbR war im Streitjahr 1993 nicht mehr berechtigt, die Steuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen, weil die Umsatzgrenze nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten worden war. Die Gestattung nach § 20 UStG bedurfte keines förmlichen Widerrufs. Dies war in der Gestattungsverfügung ausdrücklich klargestellt worden.
Die Steuern waren nunmehr gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG nach vereinbarten Entgelten zu berechnen. Dies führte aber nicht 1993 zur Steuerentstehung auf das restliche Entgelt wegen der 1992 ausgeführten Lieferungen, obwohl die GbR dieses noch nicht vereinnahmt hatte.
§ 20 Abs. 1 Satz 3 UStG ist so zu verstehen, dass für Umsätze, die in dem Besteuerungszeitraum ausgeführt wurden, für den dem Unternehmer die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten erlaubt war, diese Besteuerungsart weiterhin gilt, auch wenn in späteren Besteuerungszeiträumen ein Wechsel zur Sollversteuerung eintritt. Danach entsteht insoweit die Steuer bei Vereinnahmung des Entgelts; wird kein Entgelt vereinnahmt, entsteht keine Steuer; einer Berichtigung – wie sie nach der Verwaltungsauffassung zusätzlich vorgesehen werden müsste – bedarf es nicht.
Eine von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b UStG 1993 abweichende Vorschrift über die Entstehung der Steuer bei einem Wechsel in der Berechnung der Steuer fehlt.
Praxishinweis
Nach dem Urteil führt der Wechsel von der Ist- zur Sollbesteuerung nicht automatisch dazu, dass noch nicht vereinnahmtes Entgelt aus Umsätzen, die während der gestatteten Istbesteuerung ausgeführt wurden, "nachträglich" nach Grundsätzen der jetzt geltenden Sollbesteuerung erfasst wird. Die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung hätte auch zur Folge, dass bei späterer Uneinbringlichkeit dieses Entgelts wieder eine Berichtigung nach § 17 UStG erforderlich wäre.
Nach der vorgegebenen Auslegung entsteht die Steuer auf das restliche Entgelt für die Grundstückslieferung aus dem Jahr 1992 erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem es die GbR vereinnahmt, z.B. 1994. Wird das (restliche) Entgelt – z.B. wegen Uneinbringlichkeit – gar nicht vereinnahmt, entsteht keine Steuer; es bedarf damit auch keiner Berichtigung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.01.2003, V R 58/01