Leitsatz

Die nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf 10 Jahre verlängerte Festsetzungsfrist setzt eine Schädigung des Steuergläubigers voraus und gilt daher nicht in Erstattungsfällen.

 

Sachverhalt

Im Urteilsfall ging es um die Frage, ob die Änderung einer Einkommensteuerfestsetzung, die durch Anrechnung einbehaltener Kapitalertragsteuer zu einer Steuererstattung führen würde, noch im Rahmen der wegen Steuerhinterziehung auf zehn Jahre verlängerten Festsetzungsfrist möglich ist. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ist jedoch dahin zu interpretieren, dass die verlängerte Festsetzungsfrist einen hinterzogenen Betrag im Sinne eines Anspruchs des Fiskus auf eine Abschlusszahlung voraussetzt, der wegen einer vollendeten Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung bislang nicht realisiert werden konnte. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Steuergläubiger die geschuldete Einkommensteuer durch Steuerabzug bereits erhoben hatte und objektiv nie ein Anspruch auf eine Abschlusszahlung zu seinen Gunsten bestand.

Die Regelung bezweckt nicht, den Hinterzieher in die Lage zu versetzen, Erstattungsansprüche über die reguläre Verjährungsfrist hinaus zu realisieren. Vielmehr ist die Regelung auf eine verfahrensrechtliche Schlechterstellung des Steuerhinterziehers im Verhältnis zum steuerehrlichen Bürger angelegt. Diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers würde bei Anwendung der verlängerten Frist in Erstattungsfällen ins Gegenteil verkehrt. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO setzt also zwingend einen hinterzogenen Betrag im Sinne eines Anspruchs des Fiskus auf eine Abschlusszahlung voraus, der wegen einer vollendeten Steuerhinterziehung nicht geltend gemacht werden konnte.

 

Hinweis

Der Fall der "Selbstschädigung", in denen der angebliche Täter der Steuerhinterziehung finanziell besser gefahren wäre, wenn er bei der Wahrheit geblieben wäre und seinen Erstattungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht hätte, wird damit von der verlängerten Festsetzungsfrist nicht erfasst.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 26.2.2008, VIII R 1/07.

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