Leitsatz (amtlich)
Die Stellung als Alleingesellschafter einer GmbH begründet keine Befugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983, die Grundstücke der GmbH für eigene Rechnung zu verwerten. Daran ändert sich durch das Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags der GmbH mit dem Alleingesellschafter nichts. Es fehlt an einem Wechsel in der Grundstückszuordnung.
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut. Sie ist alleinige Gesellschafterin einer Gebäudeverwaltungs-GmbH (GmbH), die sich mit Grundstücksgeschäften befasst. Mit dieser GmbH hatte die Klägerin 1978 einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag geschlossen. Die GmbH hatte in einem von der Klägerin betriebenen Verfahren zur Zwangsversteigerung von Grundstücken das Meistgebot von 16,5 Mio. DM abgegeben. Sie trat ihre Rechte aus dem Meistgebot durch Vertrag vom 18.12.1992 für 17,2 Mio. DM an einen Dritten ab. An dem Vertrag war auch die Klägerin beteiligt. Sie verpflichtete sich gegenüber den anderen Vertragspartnern, nach Erhalt des ihr als betreibende Gläubigerin aus dem Meistgebot zustehenden Betrages gegenüber dem Vollstreckungsgericht die erforderliche Befriedigungserklärung abzugeben. Das Finanzamt nahm an, mit der Erfüllung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG durch die GmbH sei durch die Klägerin gleichzeitig der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt worden. Das FG teilte diese Ansicht. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der Unternehmensvertrag aus dem Jahr 1978 führt nicht dazu, dass durch die Abgabe des Meistgebots seitens der GmbH und die Weiterveräußerung der daraus folgenden Rechte zugleich in der Person der Klägerin der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 erfüllt worden ist. Gemeinsames Merkmal der Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG 1983 ist der Rechtsträgerwechsel bezüglich eines Grundstücks i.S. des § 2 Abs. 1 und 2 GrEStG. Ein derartiger Wechsel in der Zuordnung der Grundstücke ist auch für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2 GrEStG erforderlich, wobei allerdings dieser Wechsel unterhalb der Ebene eines Eigentümerwechsels stattfindet. Die Vorschrift soll solche Erwerbsvorgänge erfassen, die vom Wechsel im Eigentum abgesehen den in § 1 Abs. 1 GrEStG 1983 beschriebenen Erwerbsvorgängen so nahe kommen, dass sie es wie diese dem Erwerber ermöglichen, sich den Wert des Grundstücks für eigene Rechnung nutzbar zu machen.
Der Umstand, dass jemand Alleingesellschafter einer GmbH ist, begründet für sich allein keine Befugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983, die Grundstücke der GmbH für eigene Rechnung zu verwerten. Der Alleingesellschafter einer GmbH
kann zwar in Gestalt eines Gesellschafterbeschlusses oder gegebenenfalls in seiner zusätzlichen Eigenschaft als Geschäftsführer auf das Schicksal der Grundstücke der GmbH Einfluss nehmen und über den Gewinn der Gesellschaft einen etwaigen Mehrerlös aus der Veräußerung der Grundstücke an sich ziehen. Er ist dabei aber auf seine Mitwirkungsrechte in den Organen der GmbH angewiesen, deren Handeln der GmbH zuzurechnen ist. Dies und die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH schließen es aus, bei einem Grundstückserwerb durch die GmbH in der Person des Alleingesellschafters wegen dessen Gesellschafterstellung einen weiteren Wechsel in der Grundstückszuordnung und damit zusätzlich einen Grunderwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 anzunehmen. Auch das Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ändert daran nichts. Die Rechte aus einem Beherrschungsvertrag erweitern die Einflussmöglichkeiten des Alleingesellschafters auf die Grundstücke der GmbH nicht in einer für § 1 Abs. 2 GrEStG erheblichen Weise. Zwar geht durch einen wirksamen Beherrschungsvertrag mit dem Alleingesellschafter die Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung mit der Folge verloren, dass der Alleingesellschafter seinen Willen nicht mehr in Form eines Gesellschafterbeschlusses artikulieren muss; die Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung wird auf den beherrschenden Alleingesellschafter übertragen. Der beherrschende Alleingesellschafter kann jedoch nicht unmittelbar eingreifen; es stehen ihm weder Vertretungs- noch Geschäftsführungsrechte zu. Er kann lediglich dem Geschäftsführer der beherrschten Gesellschaft Weisungen erteilen und ist hierauf beschränkt. Auch der Gewinnabführungsvertrag ändert daran nichts. Er bewirkt lediglich, dass die Gesellschaft ihr Unternehmen nicht mehr betreibt, um eigenen Gewinn zu erzielen, sondern in fremdem Interesse.
Link zur Entscheidung
BFH vom 1.3.2000 - II R 53/98