Leitsatz
Kindergeldnachzahlungen sind nicht zu verzinsen.
Sachverhalt
M bezog für ihre 1997 geborene Tochter bis zu deren Abitur im Juni 1996 Kindergeld. Dagegen versagte die Familienkasse das Kindergeld während eines Au-pair-Aufenthalts in den USA von Juli 1996 bis Juni 1997. Das hiergegen erhobene Einspruchsverfahren ruhte einvernehmlich. Aufgrund der Einspruchsentscheidung vom Oktober 2001 kam es zur Kindergeldnachzahlung für den streitigen Zeitraum. Die im Dezember 2001 geltend gemachten Verzugszinsen von 4 % bzw. ab 1.6.2000 von 5 % zuzüglich Basiszuschlag von 4,26 % lehnte sowohl die Familienkasse als auch das FG ab. Auch die Revision blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Da Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst werden, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist, und § 233a Abs. 1 AO eine Verzinsung nur für den Unterschiedsbetrag zwischen Voraus- und Abschlusszahlungen aufgrund einer Festsetzung u.a. der Einkommensteuer vorsieht, kommt eine Verzinsung in anderen Fällen – z.B. Solidaritätszuschlag, Zölle, Verbrauchs- und Abzugssteuern – nicht in Betracht. Entsprechendes gilt für das als Steuervergütung gezahlte Kindergeld, weil es nicht – was nach § 233a Abs. 1 AO erforderlich wäre – auf einer Festsetzung der Einkommensteuer beruht. Ein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO ist nicht entstanden, weil dies ein eigenes Gerichtsverfahren vorausgesetzt hätte, während die Klärung einer Rechtsfrage in einem von einem Dritten geführten Musterverfahren hierfür nicht ausreicht. Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB werden nur für zivilrechtliche Ansprüche, nicht aber für einen Steuervergütungsanspruch gewährt.
Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass bei der Gewährung eines Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 EStG auf Grund einer Änderung des Einkommensteuerbescheids Zinsen nach § 233a AO oder bei Gewährung sozialrechtlichen Kindergelds Zinsen nach § 44 SGB I entstehen konnten, da dem Gesetzgeber insofern ein großer Gestaltungsspielraum zuzugestehen ist. Während die Vollverzinsung bei den Veranlagungssteuern tendenziell zu – beabsichtigten – Mehreinnahmen der Verwaltung und dementsprechend einer Mehrbelastung der Bürger führt, begünstigt die Unverzinslichkeit des Kindergelds eher die Steuerpflichtigen, da eine Verzinsung des monatlich laufend gezahlten Kindergelds unter Berücksichtigung von Karenzzeiten nur relativ wenige Fälle betrifft, während in Rückforderungsfällen die Verzinsung mitunter erheblicher Beträge unterbleibt. Schließlich kann auch berücksichtigt werden, dass M eine Einspruchsentscheidung hätte erzwingen können und in ihrem Klageverfahren ein Anspruch auf Prozesszinsen gemäß § 236 AO entstanden wäre. Allerdings hätte sie dann das Prozessrisiko tragen und die Mühe dieses Verfahrens auf sich nehmen müssen.
Praxishinweis
Seit der grundsätzlichen Umstellung vom sozialrechtlichen auf das steuerrechtliche Kindergeld, bei dem die Familienkasse als Steuerbehörde tätig wird und das Kindergeld als Steuervergütung dem Abgabenrecht folgt, sind Rechtsstreitigkeiten über das Kindergeld vor den Finanzgerichten zu klären. Das hat zur Folge, dass die zuvor bei den Sozialgerichten bestehende Gebührenfreiheit entfallen ist. Auch diese aus dem Systemwechsel folgende Benachteiligung dürfte verfassungsrechtlich unbedenklich sein.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 20.4.2006, III R 64/04