Leitsatz

Ein Sachgebietsleiter ist im Hinblick auf Vorgänge, die der Sache nach in sein Sachgebiet fallen, ungeachtet der Anordnungen über die Bearbeitung des Vorgangs und das Zeichnungsrecht stets Bevollmächtigter des Finanzamts. Das Finanzamt kann sich für etwaige schuldhafte Bearbeitungsfehler des Sachgebietsleiters nicht durch den Nachweis sorgfältiger Auswahl, Einweisung und Überwachung gemäß § 56 FGO entschuldigen.

 

Sachverhalt

Das Finanzamt hat die Revisionsbegründungsfrist versäumt, die durch die Bekanntgabe des Beschlusses über die Zulassung der Revision in Lauf gesetzt worden war. Es beantragt deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trägt dazu vor, der Zulassungsbeschluss sei entgegen der FAGO nicht dem Amtsleiter, sondern dem Sachgebietsleiter zugeleitet worden. Dieser habe nicht erkannt, dass die Frist zur Revisionsbegründung laufe, und deshalb den Vorgang an den Sachbearbeiter zur Ablage weitergegeben. Der Sachgebietsleiter sei zuverlässig, erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerden seien beim Finanzamt nahezu unbekannt.

 

Entscheidung

Das beim Finanzamt eingetretene Fristversäumnis ist nicht entschuldbar. Denn neben einem Versehen der Posteingangsstelle ist dafür das Verhalten des Sachgebietsleiters verantwortlich. Dieser hätte erkennen können, dass der Zulassungsbeschluss des Senats am Amtsleiter vorbeigeleitet worden war, und veranlassen müssen, dass der Beschluss dem Amtsleiter vorgelegt wird. Das Fehlverhalten des Sachgebietsleiters schließt eine Wiedereinsetzung des Finanzamts aus, weil es sich um eine Steuersache handelt, die in seinen Geschäftsbereich fällt. Obwohl der Amtsleiter sich vorbehalten hatte, Revisionssachen selbst zu erledigen, ist der Sachgebietsleiter als Vertreter des Finanzamts anzusehen.

 

Praxishinweis

Die für den Steuerpflichtigen aufgestellten Grundsätze für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten entsprechend für das Finanzamt. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters des Finanzamts oder eines von diesem Bevollmächtigten schließt daher eine Wiedereinsetzung stets aus; hingegen kann sich das Finanzamt für Mitarbeiter, die weder gesetzliche Vertreter noch bevollmächtigt sind, den betreffenden Vorgang zu bearbeiten, exkulpieren, insbesondere etwa für Boten oder Kanzleikräfte. Das Finanzamt muss bei einem Bearbeitungsfehler solcher Mitarbeiter nur glaubhaft machen, dass diese für ihre jeweiligen Aufgaben sorgfältig ausgewählt, angewiesen und überwacht worden sind.

Der Sachgebietsleiter ist nach der Entscheidung des BFH auch dann ein bevollmächtigter Mitarbeiter, wenn er gar nicht befugt war, den betreffenden Vorgang federführend zu bearbeiten und ihm insbesondere für die fragliche Erledigung kein Zeichnungsrecht eingeräumt wurde.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Beschluss vom 12.9.2005, VII R 10/05

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