Leitsatz
Ein zunächst betrieblich genutzter Gebäudeteil verliert seine Eigenschaft als Betriebsvermögen nicht dadurch, dass er zu fremden Wohnzwecken vermietet wird und sich in dem Gebäude ein weiterer zu fremden Wohnzwecken vermieteter Gebäudeteil befindet, der zum Privatvermögen gehört.
Sachverhalt
B ist Eigentümer eines bebauten Grundstücks. Von 1983 bis ins Streitjahr 1997 nutzte er das Erdgeschoss sowie das erste Geschoss des Gebäudes zu eigenen, das dritte Geschoss zu fremden Wohnzwecken. Das zweite Geschoss, das eine Zwei-Zimmer-Wohnung und einen separaten Raum umfasst, nutzte er von 1983 bis 1992 als Büro zu freiberuflichen Zwecken. Von April 1993 bis Oktober 1996 vermietete B dieses Geschoss fremdgewerblich. Danach stand es zunächst leer. Ab Dezember 1997 vermietete er die Zwei-Zimmer-Wohnung zu Wohnzwecken und nutzte das separate Zimmer als Arbeitszimmer. Das zweite Geschoss behandelte B seit 1983 insgesamt als Betriebsvermögen. Das Finanzamt sah ab der Nutzungsänderung in 1997 nur noch das separate Zimmer als Betriebsvermögen, die Zwei-Zimmer-Wohnung dagegen als zwingend aus dem Betriebsvermögen entnommen an. Dieser nun fremd vermietete Gebäudeteil bilde mit dem ebenfalls fremd vermieteten dritten Geschoss ein einheitliches Wirtschaftsgut. Beide Gebäudeteile könnten nur einheitlich Betriebs- oder Privatvermögen sein. Da die Wohnung im dritten Geschoss Privatvermögen sei, sei nach der Nutzungsänderung auch die Wohnung im zweiten Geschoss Privatvermögen geworden. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG darin, dass eine Entnahme des Gebäudeteils aus dem Betriebsvermögen als Folge der Nutzungsänderung nicht angenommen werden kann. Eine Entnahme setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Entnahmehandlung voraus, die auch in einem schlüssigen Verhalten, z.B. einer Nutzungsänderung, bestehen kann. Allerdings führt eine Nutzungsänderung, durch die ein Wirtschaftsgut zwar einerseits seinen Charakter als notwendiges Betriebsvermögen verliert, andererseits aber auch nicht zu notwendigem Privatvermögen wird, ohne eindeutige Erklärung nicht zur Entnahme des Wirtschaftsguts. Danach bewirkt die Vermietung der Zwei-Zimmer-Wohnung zu Wohnzwecken im Dezember 1997 keine Entnahme. Die Wohnung hatte bereits durch die erste Nutzungsänderung im April 1993 ihre Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen verloren, war aber weder dadurch noch durch die Nutzungsänderung in 1997 zu Privatvermögen geworden. Voraussetzung dafür wäre eine auf Dauer angelegte außerbetriebliche Nutzung gewesen. Es ist aber nicht erkennbar, dass eine spätere Wiederverwendung zu betrieblichen Zwecken ausscheidet. Im Gegenteil hatte B die Wohnung weiterhin im Anlageverzeichnis als Betriebsvermögen ausgewiesen. Die Zwei-Zimmer-Wohnung war deshalb als "geduldetes" Betriebsvermögen einzustufen.
Die Eigenschaft als Betriebsvermögen hat die Wohnung auch nicht deshalb verloren, weil ein anderer Gebäudeteil, der ebenfalls zu fremden Wohnzwecken genutzt wird – und damit im gleichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang steht – zum Privatvermögen gehört. Denn die Grundsätze über die Entnahme (und Einlage) von Wirtschaftsgütern sind insoweit vorrangig zu beachten. Sie können durch den Grundsatz der einheitlichen steuerlichen Behandlung von Gebäudeteilen, die in einem gleichartigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen (sog. Einheitlichkeitsgrundsatz), nicht außer Kraft gesetzt werden.
Praxishinweis
Die dem Streitfall zugrunde liegende Problematik hat die Finanzverwaltung bereits vor mehr als zwanzig Jahren aufgegriffen und seinerzeit eine heftige Diskussion ausgelöst. Erstaunlich ist deshalb, dass der BFH sich erst jetzt damit beschäftigen musste. Das BMF-Schreiben vom 1.3.1982 hatte die Frage, wie zu verfahren ist, wenn ein bisher eigenbetrieblich genutzter Gebäudeteil zum Teil einer fremdgewerblichen Nutzung zugeführt wird und der bisher schon fremdgewerblich genutzte Gebäudeteil als Privatvermögen behandelt worden ist, folgendermaßen beantwortet: Der von der Nutzungsänderung betroffene Teil ist als entnommen anzusehen, die Entnahme ist mit dem Teilwert zu bewerten. Die Begründung fand die Verwaltung im sog. Einheitlichkeitsgrundsatz, der auf den Großen Senat zurückgeht. Dieser Auslegung zur einheitlichen steuerlichen Behandlung von Gebäudeteilen hatten zunächst Seithel und ihm folgend Stuhldreier zu Recht widersprochen. Der BFH stellt nun klar: Es ist lediglich unzulässig, bei der erstmaligen Bilanzierung z.B. einen fremdgewerblich genutzten Gebäudeteil teilweise dem Betriebs- und teilweise dem Privatvermögen zuzuordnen. In einer Nutzungsänderung kann nur dann eine Entnahme durch schlüssiges Verhalten gesehen werden, wenn dadurch die betriebliche Nutzung des Gebäudeteils endgültig und auf Dauer beendet werden soll.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 10.11.2004, XI R 31/03