Leitsatz
Ein volljähriges Kind, das seine Berufsausbildung zwecks Betreuung des eigenen Kindes im Rahmen der Elternzeit nach §§ 15, 20 Abs. 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes in vollem Umfang unterbricht, befindet sich in dieser Zeit nicht in Berufsausbildung.
Sachverhalt
M erhielt für ihre 1982 geborene Tochter (T), die ein Gymnasium besuchte und bei ihr wohnte, Kindergeld. Am 13.5.2001 gebar T ein Kind, erhielt als Alleinerziehende nach eigenen Angaben vom Vater des Kindes aber keine Unterhaltszahlungen. Nachdem sich T entschloss, mit Beginn des Schuljahres 2001/2002 die Schulausbildung für ein Jahr zu unterbrechen, um ihr Kind zu betreuen, hob die Familienkasse im November 2001 die Kindergeldfestsetzung gegenüber M ab August 2001 auf und forderte das für August bis Oktober 2001 gezahlte Kindergeld zurück. Hiergegen hatte weder die Klage, noch die Revision Erfolg.
Entscheidung
Der BFH bestätigt die Auffassung des FG, dass ein Kind, welches als Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Elternzeit nach den §§ 15, 20 Abs. 1 BErzGG seine Berufsausbildung in vollem Umfang unterbricht, sich in dieser Zeit nicht in Berufsausbildung befindet. Für eine Schülerin, auf die die §§ 15, 20 Abs. 1 BErzGG nicht anwendbar sind, gilt entsprechendes, wenn sie sich zum Zwecke der Betreuung ihres Kindes ebenso verhält. Dabei ist es gleichgültig, ob das Ausbildungsverhältnis abgebrochen wird oder ob Rechte und Pflichten daraus infolge Beurlaubung nur ruhen. Für eine Berufsausbildung reicht nicht das Weiterbestehen eines Ausbildungsverhältnisses, sondern grundsätzlich ist die tatsächliche Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen erforderlich. Dies zeigt auch die Änderung des § 2 BKGG im Zusammenhang mit der Einführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs, in der die bisherige Begünstigung des Erziehungsurlaubs (jetzt: Elternzeit) nicht mehr weitergeführt wurde. Hiergegen spricht nicht, dass eine Unterbrechung der Ausbildung infolge Erkrankung und während der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG grundsätzlich unschädlich ist. Zwar liegt in beiden Fällen tatsächlich eine Unterbrechung vor. Jedoch ist das Kind im einen Fall weiter ausbildungswillig und nur durch die Erkrankung bzw. das Beschäftigungsverbot nach dem MuSchG an der Ausbildung gehindert, während es im anderen Fall seine Ausbildung aufgrund seines eigenen, der Förderung des Eltern-Kind-Verhältnisses dienenden Entschlusses, nicht fortsetzt.
Der BFH hält die unterschiedliche Behandlung für verfassungskonform. Der Gesetzgeber bedient sich einer zulässigen Typisierung, indem er die Berücksichtigung volljähriger Kinder bei bestehender Unterhaltspflicht nur in bestimmten Fällen zulässt und atypische Fälle nicht einbezieht, die nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und nur unter Schwierigkeiten zu bewältigen sind. Dies trifft auch im Streitfall zu, zumal grundsätzlich der Vater des Kindes vorrangig unterhaltspflichtig und eine Entlastung der Eltern nach § 33a Abs. 1 EStG möglich ist.
Praxishinweis
Nach der Rechtsprechung des BVerfG müssen Eltern für Unterhaltsleistungen an ihre Kinder in Höhe des Existenzminimums von der Besteuerung freigestellt werden, wenn die Kinder ihnen zugerechnet werden. Diese Freistellung erfolgt vorab durch das Kindergeld oder, wenn dieser günstiger ist, durch den Gesamtkinderfreibetrag, wobei das Kindergeld auf die Steuerentlastung angerechnet wird. Das BVerfG hat noch nicht entschieden, in welchen Fällen ein Kind den Eltern zugerechnet werden muss, insbesondere, ob der hier behandelte Fall der Elternzeit einzubeziehen ist, gegebenenfalls über die Altersgrenzen des Kindergelds hinaus. Der BFH verneint die Einbeziehung und verweist auf die alternative Entlastung durch § 33a EStG. Diese kann günstiger, aber auch ungünstiger sein, je nach Einzelfall, was von der steuerlichen Belastungssituation der Eltern abhängt, aber auch von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes. Letztere spielen bei der Variante Kindergeld oder -freibetrag erst eine Rolle, wenn der Jahresgrenzbetrag von 7188 EUR nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten wird, während die Anrechnung beim Unterhaltsfreibetrag bereits bei einem freibleibenden Betrag von 624 EUR beginnt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.07.2003, VIII R 47/02