Leitsatz (amtlich)

Ein etwaiger Wohnwert einer Heimunterbringung gehört grundsätzlich zum behinderungsbedingten Mehrbedarf eines behinderten Kindes und stellt deshalb keinen anzusetzenden Bezug dar.

 

Sachverhalt

Die 1962 geborene Tochter des Klägers ist schwerbehindert. Sie ist in einer Einrichtung für Schwerbehinderte untergebracht. Die Kosten dieser Unterbringung trägt der zuständige Sozialleistungsträger und zahlt monatlich 5 830,56 DM unter Berücksichtigung eines Taschengeldes von 162 DM. Aus ihrer Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte erzielt die Tochter jährliche Einkünfte von rd. 3 870 DM. Während ihrer Freizeit und an den Wochenenden hält sie sich regelmäßig beim Kläger und dessen Ehefrau auf. Der Beklagte (Arbeitsamt - Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung ab Februar 1997 auf. Der Lebensunterhalt der Tochter werde durch die gewährte Eingliederungshilfe gedeckt. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten[1]. Bei vollstationär untergebrachten Kindern ist der behinderungsbedingte Mehrbedarf in Form der Heimkosten hinsichtlich der Verpflegung zu bereinigen. Dazu hat die Verwaltung[2] verfügt, dass ein Sachbezugswert für die Unterbringung in einem Heim oder in einer Wohngruppe nicht anzusetzen ist. Der Senat stimmt dieser Auffassung im Grundsatz zu.

Das FG hat im Streitfall bindend festgestellt, dass sich die Tochter während ihrer Freizeit und an den Wochenenden regelmäßig bei dem Kläger und seiner Ehefrau aufhält. Unter diesen Umständen gehört ein etwaiger Wohnwert der Heimunterbringung zum behinderungsbedingten Mehrbedarf. Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH zur steuerrechtlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Pflegeheim nach § 33 Abs. 1 EStG. Abziehbar sind dabei neben Pflegekosten auch die auf die Unterbringung entfallenden Kosten, soweit es sich hierbei um gegenüber der normalen Lebensführung entstehende Mehrkosten handelt[3]. Demnach ist die Tochter des Klägers i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG außer Stande, sich selbst zu unterhalten (wird anhand von Zahlen näher erläutert).

Wird alternativ darauf abgestellt, ob die Tochter eigene Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12000 DM hat, so ergibt sich nichts anderes. Anzusetzen ist insoweit lediglich das Taschengeld von 1 944 DM, ein Sachbezug für die Verpflegung von 4 212 DM und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von (3 870 DM ./. Werbungskosten-Pauschale 2000 DM =) 1870 DM. Der Jahresgrenzbetrag von 12 000 DM ist nicht erreicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 24.5.2000 - VI R 89/99

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