Das steht im Urteil

Aufwendungen des Kindes als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) einzubeziehen.

 

Der Urteilsfall

Im Streitfall ging es um A – den im Jahr 1983 geborenen Sohn der B – für den die Familienkasse Kindergeld ab Juli 2004 festgesetzt hatte. Nachdem A am 1.9.2004 eine Ausbildung zum Finanzwirt – als Steueranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf – begonnen hatte, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit Ablauf des Monats Dezember 2004 auf. Die Aufhebung wurde damit begründet, dass die voraussichtlichen Einkünfte und Bezüge des A im Kalenderjahr 2005 den Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR überschreiten würden. Die Familienkasse hatte errechnet, dass A im Kalenderjahr 2005 voraussichtlich Einnahmen i.H.v. 10.351,57 EUR (12 × 817,66 EUR zuzüglich Weihnachtsgeld i.H.v. 539,65 EUR) erzielen werde; von diesen Einnahmen seien Werbungskosten i.H.v. insgesamt 1.886,58 EUR (Aufwendungen für Fahrten von der Wohnung zur Ausbildungsstätte i.H.v. 1.803,48 EUR sowie die AfA für einen PC i.H.v. 83,10 EUR) abzuziehen. Das ergebe voraussichtliche Einkünfte i.H. von 8.464,99 EUR.

 

Die Meinung des BFH

Der BFH ist dieser Berechnung nicht gefolgt. Er geht davon aus, dass für ein volljähriges Kind ein Anspruch auf Kindergeld besteht, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat. Bei der Beurteilung, ob der Grenzbetrag von 7.680 EUR überschritten ist, sind bei nicht selbstständig tätigen Kindern die vom Arbeitgeber einbehaltenen Arbeitnehmerbeiträge des Kindes zur Sozialversicherung von den Einkünften abzuziehen, weil sie für den Unterhalt des Kindes nicht zur Verfügung stehen und deshalb nicht zu einer finanziellen Entlastung der unterhaltsverpflichteten Eltern führen können. Nach Auffassung des BFH sind in gleicher Weise auch Beitragsaufwendungen des Kindes als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung von den Einkünften abzuziehen, wenn diese Aufwendungen zu einer (Mindest-)Vorsorge für den Krankheitsfall unvermeidbar sind und deshalb ebenso wenig wie die Sozialversicherungsbeiträge zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder der Ausbildung zur Verfügung stehen. Hiernach waren die von A für eine Pflegeversicherung geleisteten Beiträge von seinen Einkünften abzuziehen, weil ihm die hierfür aufgewendeten Beträge nach beamtenrechtlichen Vorschriften nicht zur Verfügung standen. A hatte Anspruch auf Beihilfe; er war deshalb nach § 23 Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB XI zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung verpflichtet. Ähnlich lag es auch hinsichtlich der Beiträge, die A als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zu zahlen hatte. Beamte sind zwar kraft Gesetzes von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung freigestellt. Das Beihilferecht setzt aber die Eigenvorsorge des Beamten für den Krankheitsfall durch Abschluss einer angemessenen Krankenversicherung voraus. Demgemäß sind die Beiträge eines Beamten zu einer freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung als unvermeidbare Aufwendungen anzusehen. Im Hinblick hierauf war im Streitfall davon auszugehen, dass die Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung des A bestimmt oder geeignet sind, im Kalenderjahr 2005 den Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR nicht überstiegen. Denn nach Abzug der unstreitigen Werbungskosten (1.886,58 EUR) sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (1.340,28 EUR) von den voraussichtlichen Einnahmen (10.351,57 EUR) lagen die Einkünfte des A unter dem Jahresgrenzbetrag. Sonach hat die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung zu Unrecht wegen Überschreitens des Jahresgrenzbetrags aufgehoben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 16.11.2006, III R 74/05

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