Es ist amtlich: Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen"hat das notwendige Quorum für den Volksentscheid erreicht. Die Berliner dürfen über die Vergesellschaftung von Immobilienfirmen mit mehr als 3.000 Wohnungen abstimmen. Juristen bezweifeln einen Erfolg.
Ich stelle fest, dass das Volksbegehren der Trägerin "Deutsche Wohnen & Co enteignen" zustande gekommen ist", teilte Landeswahlleiterin Petra Michaelis am 1. Juli mit. Die offizielle Prüfung der Unterschriften der stimmberechtigten Bürger durch die Berliner Bezirksämter sei abgeschlossen. Damit ist der Weg frei für den Volksentscheid: Am 26. September – parallel zur Wahl zum Abgeordnetenhaus – sollen die Berliner über die Frage abstimmen, ob große Wohnungskonzerne in der Hauptstadt mit mehr als 3.000 Wohnungen im Bestand vergesellschaftet werden sollen.
Laut Landeswahlleitung sind knapp 273.000 Unterschriften geprüft worden. 183.711 davon seien gültig gewesen. 171.783 gültige Signaturen – also rund 7 %der Berliner Wahlberechtigten – wären notwendig gewesen. Damit ist das erforderliche Quorum für den Volksentscheid erreicht. Insgesamt hatte die Initiative mehr als 359.000 Unterschriften eingereicht. Nach der Regelung im Abstimmungsgesetz müssen die Bezirksämter aber nur so lange zählen, bis das Quorum erreicht ist.
Initiative legt eigenen Gesetzentwurf vor
Auch wenn die Berliner darüber abstimmen dürften, ob Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen vergesellschaftet werden sollen, sei der politische Prozess noch nicht zu Ende, kommentierte Dr. Esfandiar Khorrami, Rechtsanwalt und Partner bei Bottermann Khorrrami, den Optimismus der Aktivisten. Der Senat wäre dann lediglich aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Rechtlich gebunden, die Pläne nach Vorstellung der Initiative umzusetzen, ist er nicht. Die Aussicht, dass tatsächlich ein Enteignungsgesetz zustande kommt, sind nach Ansicht des Juristen gering und die Chance, dass es wirksam werde, noch deutlich geringer. "Das Gesetz müsste handwerklich sehr sauber gearbeitet werden, um vor Gericht Bestand haben zu können. Berlin hat hier in der jüngeren Vergangenheit nur wenig vorzuweisen."
Enteignung oder Vergesellschaftung?
Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" beruft sich in einem eigenen Gesetzentwurf auf Art. 15 GG, demzufolge "Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel" in Gemeineigentum überführt werden können – Vergesellschaftung genannt.
Eigentümerin der zu vergesellschaftenden Immobilien – vergesellschaftet werden sollen nicht die Unternehmen selbst, sondern deren zu Wohnzwecken dienende Grundstücke und Gebäude – soll dann eine Anstalt des öffentlichen Rechts ("Gemeingut Wohnen") werden. Die Wohnungsbestände dürften nie wieder privatisiert werden. Landeseigene und gemeinnützige Unternehmen sowie die Berliner Genossenschaften sollen von den Regelungen ausgenommen sein, wie der Jurist Sebastian Schneider erklärte, der den Gesetzentwurf maßgeblich erarbeitet hat.
Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit sei der Unterschied zwischen Enteignung – darauf zielt der Name der Initiative ab – und Vergesellschaftung, wie sie im Gesetzentwurf gefordert wird, entscheidend, schreibt Benedikt Wolfers, Rechtsanwalt und Partner der Berliner Kanzlei Posser Spieth Wolfers & Partners, die auch schon den Wohnungskonzern Deutsche Wohnen vertreten hat, in einem Gastbeitrag im "Tagesspiegel". Ihm zufolge wird das Vorhaben schon an der Berliner Landesverfassung scheitern, die eine Vergesellschaftung gar nicht erlaubt.
Streitpunkt Entschädigung: "Enteignung" würde Berlin Milliarden kosten
Eine Vergesellschaftung würde ca. ein Dutzend Berliner Unternehmen mit insgesamt mehr als 240.000 Mietwohnungen betreffen. Dabei würde eine Entschädigung nach Einschätzung des Berliner Senats das ohnehin schon hoch verschuldete Berlin zwischen 28,8 und 36 Mrd. EUR kosten. "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" rechnet nur mit einer Gesamtsumme von rund 10 Mrd. EUR.
Die Aktivisten wollen die Immobilienunternehmen nicht mit Geld entschädigen, sondern ihnen sog. Entschädigungsbonds – Wertpapiere mit dem Nominalwert der Entschädigungshöhe – ausgeben. Diese Schuldverschreibungen sollen dann über einen Zeitraum von 40 Jahren getilgt werden. Refinanziert werden soll das Ganze aus den Mieteinnahmen. Dabei legt die Initiative eine vergleichsweise niedrige Nettokaltmiete von 4,04 EUR/m2 zugrunde, die auch für armutsgefährdete Haushalte als leistbar gilt.
Das Thema "Entschädigung" dürfte auch im Fall eines erfolgreichen Volksentscheids ein Streitpunkt bleiben. Darüber wird jetzt schon heftig debattiert.
Kritik aus Politik und Wohnungswirtschaft
Eine politische Mehrheit für die Umsetzung der Pläne ist derzeit nicht zu erkennen – und bei der Abgeordnetenhauswahl werden die Karten ohnehin neu gemischt.
Die rot-rot-grüne Berliner Koalition konnte sich bislang auf keine Linie einigen. Jusos und Linke sind dafür. Die Linke hat das Anliegen der Initiative von Anfang an unterstützt und sogar Unterschriften mitgesammelt. Die SPD ...