Leitsatz
- Die Kosten eines Vaterschaftsfeststellungsprozesses können eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG sein.
- Wird ein Steuerpflichtiger auf Feststellung der Vaterschaft und Zahlung des Regelunterhalts verklagt, so sind die ihm auferlegten Prozesskosten zwangsläufig, wenn er ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft substantiiert dargelegt sowie schlüssige Beweise angeboten hat und wenn sein Verteidigungsvorbringen bei objektiver Betrachtung Erfolg versprechend schien.
Sachverhalt
Ein Kind hatte gegen den Steuerpflichtigen auf Feststellung der Vaterschaft geklagt. Das Amtsgericht stellte die Vaterschaft durch Urteil fest und berief sich dabei auf eine "biostatistische Wahrscheinlichkeit" von 99,966 %. Der Steuerpflichtige hatte nur vorgetragen, er habe während der Empfängniszeit keinerlei Kontakt mit der Mutter gehabt. Die ihm auferlegten Prozesskosten machte er vergeblich als außergewöhnliche Belastung geltend.
Entscheidung
Der BFH lehnte die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ab. Bei Zivilprozesskosten besteht eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit. Denn es liegt regelmäßig in der freien Entscheidung der Parteien, sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines Anspruchs dem Risiko des Prozesses bzw. der Prozesskosten auszusetzen. Es ist nicht Sinn des § 33 EStG, dem Steuerpflichtigen bei bewusst in Kauf genommenem Prozesskostenrisiko die Kostenlast zu erleichtern. Ausnahmsweise werden Prozesskosten als zwangsläufig anerkannt, wenn das Gerichtsverfahren die einzige prozessuale Möglichkeit ist, das Klageziel zu erreichen wie dies bei Statusverfahren, z.B. Anerkennung der Staatsbürgerschaft oder Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft, oder bei der Ehescheidung der Fall ist. Ebenso ist die Zwangsläufigkeit anerkannt, wenn es um die eigene Existenzgrundlage oder den Kernbereich menschlichen Lebens geht, z.B. um das Umgangsrecht mit den eigenen Kindern.
Die Kosten eines vom Vater angestrengten Vaterschaftsfeststellungsprozesses können demnach für den vermeintlichen Vater als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein. Denn die Vaterschaft wird, wenn die Mutter nicht verheiratet ist, durch Anerkennung oder gerichtliche Entscheidung mit Wirkung für und gegen alle festgestellt. Zur Anerkennung ist die Zustimmung der Mutter oder, falls ihr die elterliche Sorge nicht zusteht, des gesetzlichen Vertreters des Kindes erforderlich.
Betreibt dagegen das Kind die Vaterschaftsfeststellung mit dem Ziel der Verurteilung zum Unterhalt, ist die prozessuale Situation des Beklagten grundsätzlich nicht anders als in einem sonstigen Zivilprozess. Entscheidend sind die Prozessaussichten. Der Vater hat als Beklagter daher nur dann Anspruch auf die steuerliche Entlastung, wenn er ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft substantiiert dargelegt und schlüssige Beweise angeboten hat, sodass sein Verteidigungsvorbringen objektiv betrachtet Erfolg versprechend erschien. Daran fehlte es im Streitfall. Denn der Steuerpflichtige hatte lediglich pauschal in Frage gestellt, der einzige Partner der Mutter gewesen zu sein.
Praxishinweis
Zu unterscheiden ist einmal das Verfahren, das ein Vater zur Feststellung seiner Vaterschaft betreibt oder mit dem er die Vaterschaft des (rechtlichen) Vaters anficht und zum anderen das Verfahren des Kindes gegen den Vater mit dem Ziel der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung. Für die erste Fallgruppe dürfte der Entscheidung die grundsätzliche Anerkennung der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung zu entnehmen sein. Denn der Vater kann die Anerkennung der Vaterschaft ohne Zustimmung des Kindes bzw. seines gesetzlichen Vertreters nur durch ein gerichtliches Urteil erreichen. Wird der Vater dagegen verklagt, kann er dem Prozesskostenrisiko grundsätzlich durch ein Anerkenntnis der Vaterschaft ausweichen. Das ist ihm nur dann nicht zuzumuten, wenn er substantiierte Einwendungen gegen seine Vaterschaft vorbringen kann. Nur in diesem Fall kann ihm die Übernahme des Prozesskostenrisikos nicht als bewusst und gewollt herbeigeführtes Ereignis angelastet werden.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 18.3.2004, III R 24/03