Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
- Eine Aufteilung von Sachzuwendungen an Arbeitnehmer in Arbeitslohn und Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse ist grundsätzlich möglich, wenn die Zuwendungen bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls gemischt veranlasst sind.
- Bei gemischt veranlassten Reisen sind für die Aufteilung zunächst die Kostenbestandteile der Reise abzutrennen, die sich leicht und eindeutig dem betriebsfunktionalen Bereich und dem Bereich, der sich als geldwerter Vorteil darstellt, zuordnen lassen. Die danach verbleibenden Kosten sind grundsätzlich im Wege sachgerechter Schätzung (§ 162 AO 1977) aufzuteilen. Als Aufteilungsmaßstab ist dabei i.d.R. das Verhältnis der Zeitanteile heranzuziehen, in dem Reise-Bestandteile mit Vorteilscharakter zu den aus betriebsfunktionalen Gründen durchgeführten Reise-Bestandteilen stehen.
- Der Wert einer dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zugewandten Reise kann grundsätzlich anhand der Kosten geschätzt werden, die der Arbeitgeber für die Reise aufgewendet hat. Sofern sich ein Beteiligter auf eine abweichende Wertbestimmung beruft, muss er konkret darlegen, dass eine Schätzung des üblichen Endpreises am Abgabeort nach den aufgewandten Kosten dem objektiven Wert der Reise nicht entspricht.
- Macht der Arbeitgeber in schwierigen Fällen, in denen ihm bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt Zweifel über die Rechtslage kommen müssen, von der Möglichkeit der Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) keinen Gebrauch, so ist ein auf dieser Unterlassung beruhender Rechtsirrtum grundsätzlich nicht entschuldbar und steht der Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Wege der Haftung nicht entgegen.
Problematik
Der Arbeitgeber führte eine mehrtägige Außendiensttagung in Portugal durch. An den Vormittagen fanden Fachveranstaltungen statt, während nachmittags neben einer Betriebsversammlung verschiedene Freizeitveranstaltungen auf dem Programm standen. Das Finanzamt behandelte die vom Arbeitgeber verauslagten Reisekosten als Arbeitslohn der Außendienst-Mitarbeiter. Das Finanzgericht bestätigte diese Sichtweise unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des BFH und beurteilte die Reise mangels eines geeigneten Aufteilungsmaßstabs einheitlich als Zuwendung eines geldwerten Vorteils.
Entscheidung des BFH
Der BFH entschied hingegen unter Fortentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung, dass die Kosten einer vom Arbeitgeber bezahlten Auslandsreise als gemischt veranlasste Sachzuwendung grundsätzlich aufgeteilt werden können. Er trennte zunächst die Kostenbestandteile der Reise ab, die sich leicht und eindeutig dem betriebsfunktionalen Bereich (kein Arbeitslohn) und dem Bereich, der sich als Entlohnung darstellte, zuordnen ließen. Die danach verbleibenden Kosten teilte er auf, wobei er als Aufteilungsmaßstab das Verhältnis der Zeitanteile heranzog, in dem Reise-Bestandteile mit Entlohnungscharakter zu den aus betriebsfunktionalen Gründen durchgeführten Reise-Bestandteilen standen.
Nach diesen Grundsätzen kam der BFH im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Reise gemischt veranlasst war, weil sie sowohl Elemente einer Dienstreise als auch einer sog. Incentive-Reise (= Belohnungsreise) beinhaltete. Für die nach Abtrennung der leicht und eindeutig dem Entlohnungs- bzw. dem betriebsfunktionalen Bereich zuzuordnenden Kostenbestandteile verbleibenden Kosten kam der BFH unter Berücksichtigung der jeweiligen Zeitanteile zu einer Aufteilung von 50/50.
Konsequenzen für die Praxis
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH war die Zuwendung einer Reise durch den Arbeitgeber, die vorwiegend der Belohnung des Arbeitnehmers dienen sollte, bei diesem als Arbeitslohn zu erfassen. Etwas anderes galt nur dann, wenn die Verfolgung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen war. In der vorliegenden Entscheidung hat der BFH in Fortentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung erstmals die Aufteilung von Reisekosten in steuerpflichtigen Arbeitslohn und nicht steuerbare Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse zugelassen. Er ist damit vom "Alles oder Nichts-Prinzip" abgerückt, wenn die Reise sowohl Dienstreise- als auch Belohnungselemente enthält.
Für den Arbeitgeber bedeutet dieser begrüßenswerte Sinneswandel Folgendes:
- Zunächst sind die Kostenbestandteile der Reise abzutrennen, die sich leicht und eindeutig dem betriebsfunktionalen Bereich zuordnen lassen. Hierzu gehören etwa die Aufwendungen für die Zurverfügungstellung von Tagungsräumen nebst Ausstattung, Tagungsunterlagen und Referenten. Diese Ausgaben kommen von vornherein nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn in Betracht.
- Auf der anderen Seite sind die Kosten solcher Reise-Bestandteile vollumfänglich als Arbeitslohn zu erfassen, die sich – isoliert betrachtet – als geldwerter Vorteil erweisen. Hierzu gehören z.B. die Kosten für das touristische Programm, Ausflüge, das Spiel- und Sportprogramm sowie gemeinsame Feiern u...