Leitsatz

  1. Aufwendungen für den Besuch einer Schule für Hochbegabte können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn der Schulbesuch medizinisch angezeigt war.
  2. Die erforderlichen Feststellungen hat das FG nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu treffen. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, hält der erkennende Senat nicht länger fest.
 

Sachverhalt

S hat einen IQ von 133. Er übersprang Grundschulklassen und besuchte ein Gymnasium. Nach zunehmenden Schulproblemen empfahl der Allgemeine Sozialdienst den Besuch der B-School in Schottland. Der Hausarzt diagnostizierte ADS und empfahl die Unterbringung an einer Schule für Hochbegabte, um einer nachhaltigen Persönlichkeitsstörung entgegenzuwirken. Dem folgte ein nervenärztliches Gutachten. Ein amtsärztliches Gutachten beurteilte derartige Störungen als Krankheit und seelische Behinderung. Die Eltern von S machten Schul- und Internatskosten von 51.616 DM (2001) und von 23.457 EUR (2002) vergeblich nach § 33 EStG geltend. Die Klage blieb erfolglos. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zurück. Das FG hat nun zu prüfen, ob der Internatsbesuch medizinisch indiziert war.

 

Kommentar

Praxishinweis

Eine vorherige amts- oder vertrauensärztliche Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme ist nach neuer BFH-Rechtsprechung nicht mehr erforderlich; auch andere Stellen können die medizinische Indikation begutachten. Dies hat das FG noch nicht berücksichtigt. Im zweiten Rechtsgang kommt es nun darauf an, ob der Besuch der S-Schule medizinisch angezeigt war. Dann können die Aufwendungen – auch für die Internatsunterbringung – unmittelbare Krankheitskosten sein. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG steht dem nicht entgegen, da die Vorschrift keine krankheitsbedingten Schulkosten erfasst.

Steht die medizinische Indikation fest, gilt jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung medizinisch hinreichend gerechtfertigt ist, als krankheitsbedingt. Die steuerrechtliche Beurteilung folgt der medizinischen, soweit nicht ein offensichtliches Missverhältnis zwischen erforderlichem und tatsächlichem Aufwand besteht. Diese Feststellungen hat das FG zu treffen. Dabei hat es die typischen Instrumente gerichtlicher Sachverhaltsaufklärung zu nutzen. In solchen Streitfällen sind regelmäßig medizinische Gutachten einzuholen.

Wird die medizinische Indikation belegt, sind die Aufwendungen außergewöhnliche Belastungen; allerdings werden Erstattungsleistungen der öffentlichen Hand angerechnet. Zur Vermeidung der mehrfachen Berücksichtigung desselben Aufwands scheidet der Abzug des Ausbildungsfreibetrags wegen auswärtiger Unterbringung aus.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 12.05.2011, VI R 37/10.

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