Leitsatz
- Die Steuerbefreiung der Umsätze aus heilberuflicher Tätigkeit i. S. von § 4 Nr. 14 UStG setzt (richtlinienkonform) voraus, dass es sich um ärztliche oder arztähnliche Leistungen handeln muss, und dass diese von Personen erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen.
- Das Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung für medizinische Fußpfleger in dem für die Besteuerung zuständigen Bundesland ist für sich allein kein Hinderungsgrund für die Befreiung.
- Die im BMF-Schreiben vom 28.2.2000 (BStBl I 2000, S. 433) vertretene Auffassung, ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit könne die Zulassung des jeweiligen Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGBV durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen sein, ist nicht zu beanstanden.
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr 1986 in Nordrhein-Westfalen als medizinischer Fußpfleger tätig. Er hatte von der niedersächsischen Bezirksregierung in Braunschweig die staatliche Anerkennung als medizinischer Fußpfleger auf der Grundlage eines Runderlasses des niedersächsischen Sozialministers erhalten. Das Finanzamt versagte die beanspruchte Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 14 des UStG mit der Begründung, der Kläger übe keine heilberufsähnliche Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus; denn in Nordhein-Westfalen sei – anders als in Niedersachsen – keine Regelung über Ausbildung, Prüfung und staatliche Anerkennung von medizinischen Fußpflegern getroffen worden. Nach erfolglosem Einspruchs-, Klage und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren verwies das BverfG die Sache an den BFH zurück.
Entscheidung
Gemäß der Vorgabe durch das BVerfG-Urteil war die Revision begründet. Sie führte aber zur Zurückverweisung der Sache an das FG, weil die jetzt geltenden Kriterien für die Steuerbefreiung "ähnlicher heilberuflicher Tätigkeiten" i. S.v. § 4 Nr. 14 UStG noch zu ermitteln waren.
Der BFH entnahm dem BVerfG-Urteil, dass der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt würde, wenn dem Kläger in seinem "Sitz-Land" Nordrhein-Westfalen die Umsatzsteuerbefreiung für seine Umsätze versagt würde, weil in diesem Bundesland eine berufsrechtliche Regelung für medizinische Fußpfleger fehlte, er aber in einem anderen Bundesland (hier: Niedersachsen) nach einer dort vorhandenen Regelung die Befreiung erhalten hätte.
Dies allein rechtfertigte die Befreiung aber noch nicht; denn – übereinstimmend mit dem Gemeinschaftsrecht – ist nach § 4 Nr. 14 UStG erforderlich, dass die arztähnliche Tätigkeit von Personen mit dem erforderlichen "beruflichen Befähigungsnachweis" erbracht wird. Fehlt – wie nach den Umständen des Streitfalls – eine berufsrechtlichen Regelung, so kann der Nachweis gemäß dem BMF-Schreiben vom 28.2.2000 geführt werden: Bei den nach § 124 Abs. 1 und 2 SGB V"zugelassenen Leistungserbringern" ist für § 4 Nr. 14 UStG vom Vorliegen der "ähnlichen Leistung" und des erforderlichen Befähigungsnachweises auszugehen.
Diese Voraussetzungen sind vom FG noch zu prüfen.
Praxishinweis
Das BVerfG hat mit der Aussage, § 4 Nr. 14 UStG zeichne keinen berufsrechtlichen Lenkungszweck vor, der die Steuerbefreiung für medizinische Fußpfleger von ihrer beruflichen Qualifikation abhängig machen würde, möglicherweise den Anschein erweckt, eine berufsrechtliche Regelung sei nicht Befreiungsvoraussetzung. Dies widerspräche aber der EuGH-Rechtsprechung zur Steuerfreiheit für arztähnliche Berufe. Lediglich der Nachweis für dieses Merkmal kann anders geführt werden. Keine Rolle spielte im Streitfall, insbesondere auch im BVerfG Urteil, die in § 4 Nr. 14 UStG enthaltene Voraussetzung einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit "im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes". Über das "Schicksal" dieser Voraussetzung, die in der 6. RL nicht erwähnt wird, muss gegebenenfalls noch entschieden werden. Jedenfalls kann sie noch eine Rolle spielen und sollte nicht ganz außer Acht gelassen werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.12.2002, V R 28/00