GenG §§ 66; 66a; InsO § 109 Abs. 1 Satz 2
- Eine Wohnungsgenossenschaft kann sich gegenüber dem Insolvenzverwalter, der die Mitgliedschaft des Schuldners in der Wohnungsgenossenschaft wirksam gekündigt hat, nicht auf eine Satzungsbestimmung berufen, nach der der Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Nutzungsverhältnisses oder der Rückgabe des Nutzungsobjektes besteht, wenn dadurch eine Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens tatsächlich ausgeschlossen wird, ohne dass dies durch schützenswerte Interessen der Genossenschaft oder des Schuldners gerechtfertigt ist.
- In diesen Fällen scheidet bei einer vor Inkrafttreten des § 67c GenG ausgesprochenen Kündigung eine geltungserhaltende Reduktion der Satzungsbestimmung auf einen noch zulässigen Umfang regelmäßig aus.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Zwischen einer Wohnungsgenossenschaft (Vermieter) und einem Mitglied (Mieter) besteht ein Nutzungsverhältnis (Mietverhältnis) über eine Wohnung. Der Mieter war der Genossenschaft im Jahr 2009 beigetreten und hatte 62 Pflichtanteile zu je 150 EUR (= 9.300 EUR) gezeichnet. Hiervon hat er in Raten 2.900 EUR bezahlt.
Im Mai 2011 wurde über das Vermögen des Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte mit Schreiben vom 21.12.2011 die Mitgliedschaft des Mieters und bat die Genossenschaft um Auszahlung der erbrachten Ratenzahlungen auf die Geschäftsanteile in Höhe von 2.900 EUR.
Die Genossenschaft verweigerte die Auszahlung, da das Mietverhältnis fortbesteht und der Mieter die Wohnung weiterhin nutzt. Die Genossenschaft stützt diese Ansicht auf § 12 Nr. 5 ihrer Satzung. Dort ist geregelt, dass "... ein Anspruch des Ausgeschiedenen auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Nutzungsverhältnisses bzw. der Rückgabe des Nutzungsobjektes (besteht)".
Der BGH hatte zu entscheiden, ob sich die Genossenschaft gegenüber dem Insolvenzverwalter auf § 12 Nr. 5 ihrer Satzung berufen kann.
1. Kündigung der Mitgliedschaft durch Insolvenzverwalter
Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Insolvenzverwalter berechtigt, die Mitgliedschaft des Mieters in der Genossenschaft gemäß § 66a GenG zu kündigen (BGH, Urteil v. 19.3.2009, IX ZR 58/08, BGHZ 180 S. 185, Rn. 5).
Das Auseinandersetzungsguthaben nach Kündigung eines Genossenschaftsanteils gehört nach allgemeiner Ansicht zur Insolvenzmasse (BGH, Beschluss v. 2.12.2010, IX ZB 120/10, ZIP 2011 S. 90, Rn. 7).
2. Bindung des Insolvenzverwalters an die Genossenschaftssatzung mit Ausnahmen
Grundsätzlich gilt, dass der Insolvenzverwalter bei der Geltendmachung der dem Mieter zustehenden Ansprüche an die Satzungsbestimmungen gebunden ist.
Eine Ausnahme gilt hinsichtlich solcher Bestimmungen, die die gesetzlich vorgesehene Verwertungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters vereiteln, indem sie eine Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens tatsächlich ausschließen, ohne dass dies durch schützenswerte Interessen der Genossenschaft oder des Mieters gerechtfertigt ist. Solche Bestimmungen können dem Insolvenzverwalter nicht entgegengehalten werden.
Sie unterliegen insoweit einer Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB. Die Ausnahme rechtfertigt sich daraus, dass Genossenschaftsmitglieder nicht Teile ihres Vermögens der Insolvenzmasse entziehen können, indem sie es als Geschäftsguthaben ansparen.
3. Insolvenz des Mieters und Kündigung der Genossenschaftswohnung
§ 12 Nr. 5 der Satzung schließt die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens aus, solange das Mietverhältnis nicht beendet ist oder der Mieter die Wohnung nicht zurückgegeben hat.
Die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Insolvenzverwalter ist aber ausgeschlossen (§ 109 Abs. 1 Satz 2 InsO). Auf diese Weise will der Gesetzgeber verhindern, dass der Mieter bei der Insolvenz seine Wohnung verliert.
Der Insolvenzverwalter hätte aufgrund der Satzungsbestimmung also keine Möglichkeit, auf das Auseinandersetzungsguthaben zuzugreifen. Deshalb kann sich die Genossenschaft gegenüber dem Auszahlungsverlangen des Insolvenzverwalters insgesamt nicht auf § 12 Nr. 5 ihrer Satzung berufen. Die Klausel ist im Rahmen der Ausübungskontrolle insgesamt unwirksam.
4. Kündigung des Dauernutzungsvertrags und die Voraussetzungen dazu
Das Ausscheiden des Mitglieds aus der Genossenschaft kann u. U. den Verlust der Wohnung zur Folge haben: Nach allgemeiner Ansicht ist der sog. Dauernutzungsvertrag der Wohnungsgenossenschaften als Mietvertrag zu bewerten. Für die ordentliche Kündigung eines solchen Vertrags müssen demnach die für die Wohnungsmiete maßgeblichen Vorschriften beachtet werden. Nach § 573 Abs. 1 BGB kann ein Wohnraummietverhältnis u. a. auch dann gekündigt werden, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.
Hierzu hat der BGH entschieden, dass eine Genossenschaftswohnung nach dieser Vorschrift jedenfalls dann gekündigt werden kann, wenn 2 Voraussetzungen gegeben sind:
- Zum einen muss die Mitglie...