Leitsatz
Erzielt ein Steuerpflichtiger aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind bei der Kürzung des Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG) nur die Einnahmen aus solchen Beschäftigungsverhältnissen in die Bemessungsgrundlage "Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit" einzubeziehen, in deren Zusammenhang der Arbeitgeber Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht hat oder bei denen der Steuerpflichtige (Arbeitnehmer) zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört.
Sachverhalt
Von zwei zusammen veranlagten Eheleuten bezog die Ehefrau (F) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus zwei Beschäftigungsverhältnissen. Als Geschäftsführerin einer GmbH, deren einzige Gesellschafterin sie war, erhielt sie nicht sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn in Höhe von 49052 DM. Außerdem bezog sie aus einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis im Unternehmen ihres Ehemannes Arbeitslohn in Höhe von 42624 DM. Bei der Einkommensteuerveranlagung machten die Eheleute Versicherungsbeiträge in Höhe von 45488 DM als Sonderausgaben geltend. Das Finanzamt berücksichtigte im Rahmen der Höchstbetragsberechnung nach § 10 Abs. 3 EStG lediglich 7830 DM. Dabei bezog es in die Berechnungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs die Einnahmen der F aus beiden Arbeitsverhältnissen ein, so dass kein Vorwegabzug verblieb. Das FG gab der Klage insoweit statt, als es zur Kürzung lediglich die Einnahmen aus dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis heranzog.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG; er ließ eine Kürzung des den Eheleuten gemeinsam zustehenden Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen von 12000 DM lediglich um 6819 DM, d.h. um 16 % der Einnahmen der F aus dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis, auf 5181 DM zu. Nach Auffassung des BFH ist in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG – "Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit" – nur Arbeitslohn einzubeziehen, in dessen Zusammenhang Zukunftssicherungsleistungen ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung des Arbeitnehmers erbracht worden sind. Bezieht ein Steuerpflichtiger Arbeitslohn aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen, ist für jedes Beschäftigungsverhältnis gesondert zu prüfen, ob die Kürzungsvoraussetzungen vorliegen. Im Streitfall waren für F nur im Rahmen ihres Ehegatten-Arbeitsverhältnisses Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG vom Arbeitgeber erbracht worden. In Zusammenhang mit ihrer sozialversicherungsfreien Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführerein hatte F keine Anwartschaft auf eine Altersversorgung erworben. Sie gehörte damit auch nicht zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG.
Praxishinweis
Die Argumentation des BFH im Besprechungsfall entspricht der im Urteil vom 3.12.2003. Dort hatte ein Ehegatte sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn bezogen, der andere Ehegatten war GmbH-Geschäftsführer und hatte keine Anwartschaftsrechte auf Altersversorgung erworben. Hier bezog ein Ehegatte aus zwei unterschiedlich zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnissen Arbeitslohn. Der BFH leitet aus der historischen Entwicklung der Kürzungsnorm die Auslegung ab, dass die Kürzung – anders als aus dem Wortlaut geschlossen werden könnte – nicht schlechthin Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erfasst. Voraussetzung ist vielmehr, dass im Zusammenhang mit den Einnahmen Zukunftssicherungsleistungen von dritter Seite erbracht worden sind. Trifft das für ein Beschäftigungsverhältnis zu, sind sämtliche Einnahmen aus diesem Beschäftigungsverhältnis in die Kürzungsregelung einzubeziehen, ohne dass es auf die Höhe der erbrachten Zukunftssicherungsleistungen ankommt.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 26.2.2004, XI R 54/03