Leitsatz

Bezieht der Steuerpflichtige aufgrund eines Rentenversicherungsvertrags gegen Einmalbeitrag auf Lebenszeit sowohl eine garantierte "Grundrente" als auch eine nicht garantierte "Bonusrente aus der Überschussbeteiligung", so sind beide Bestandteile der wiederkehrenden Bezüge einheitlich zu beurteilen und trotz der durch die fehlende Gleichmäßigkeit der Leistungen bedingten Nichterfüllung des Leibrentenbegriffs lediglich mit ihrem Ertrags- bzw. Zinsanteil der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen.

 

Sachverhalt

Der 1942 geborene S schloss Ende 1992 mit der L-AG einen Vertrag über eine sofort beginnende Leibrente gegen Zahlung eines Einmalbeitrags von 200000 DM. Die L-AG verpflichtete sich, ab 1.1.1993 lebenslang monatlich 874,75 DM zuzüglich einer nicht garantierten Bonusrente von anfänglich 436,92 DM zu zahlen. S finanzierte den Einmalbeitrag in voller Höhe durch ein Darlehen der E-Bank, das mit 9 % verzinst und am 17.12.2004 in einem Betrag zurückgezahlt werden sollte (Darlehen I). Die Zinsen für die gesamte Laufzeit entrichtete S im Voraus. Zur Finanzierung der Zinszahlung nahm S ein Darlehen der E-Bank über 139235 DM auf, bei dem die Zinsen von 8,75 % vierteljährlich zu entrichten waren (Darlehen II). Das Darlehen II war in voller Höhe am 17.12.1998 zurückzuzahlen. Für 1992 machte S bei den Einkünften aus der Leibrente einen Werbungskostenüberschuss von 143235 DM geltend. Das Finanzamt erkannte diesen nicht an, da keine Einkünfteerzielungsabsicht vorliege. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Dem FG ist nicht darin zu folgen, dass die Grundrente mit dem Ertragsanteil von 41 %, die "Bonusrente" dagegen in voller Höhe als steuerpflichtige Einnahme i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG zu versteuern ist. Denn die volle Erfassung der "Bonusrente" würde zu einer verfassungswidrigen Überbesteuerung führen, weil dann auch ein Teil der Kapitalrückzahlung besteuert würde.

Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die streitigen Renteneinkünfte insgesamt den sonstigen Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1 EStG zuzuordnen sind und der in den Gesamteinnahmen enthaltene Ertragsanteil sich nach der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG bemisst oder ob in diesen Einnahmen enthaltene Zinsanteile dem Grunde nach Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind, deren Höhe aus Vereinfachungsgründen in sinngemäßer Anwendung der Ertragsanteilstabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG oder nach finanz- bzw. versicherungsmathematischen Grundsätzen zu ermitteln ist. Denn gleich, welcher Ansicht und welcher Methode zur Zins- bzw. Ertragsanteilsermittlung man folgt, fehlt es wegen der in allen denkbaren Konstellationen negativen "Totalüberschussprognose" an der für die Berücksichtigung des geltend gemachten Werbungskostenüberschusses gebotenen Einkünfteerzielungsabsicht.

 

Praxishinweis

Mit diesem Urteil hat der BFH die bislang noch offene Frage teilweise beantwortet, wie eine aus zwei Komponenten, nämlich aus einer garantierten Grundrente und einer nicht garantierten Überschussbeteiligung, bestehende "Rente" steuerlich zu behandeln ist. Zum Teil wurde die Ansicht vertreten, die hier auch das FG befürwortet hat[1]. Überwiegend wurde jedoch der Standpunkt eingenommen, die gesamte Rente einschließlich der Überschussanteile sei mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zu versteuern[2]. Letzterer Auffassung hat sich der BFH im Grundsatz mit der m.E. zutreffenden Erwägung angeschlossen, dass eine volle Besteuerung der Überschussbeteiligung im Widerspruch zur Grundaussage des § 2 Abs. 2 EStG zur Besteuerung eines Teils der Kapitalrückzahlung führen würde, weil der der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zugrunde liegende Rechnungszinsfuß von 5,5 % allein mit dem Ansatz der Garantiezinsen von hier 3,5 % nicht erreichbar war.

Der BFH konnte offen lassen, welcher Einkunftsart die einheitlich zu beurteilenden wiederkehrenden Bezüge zuzuordnen waren. M.E. spricht viel dafür, Einkünfte i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG anzunehmen, wobei der Zinsanteil aus Vereinfachungsgründen durch eine analoge Anwendung der Ertragsanteilstabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ermittelt werden kann[3].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 20.6.2006, X R 3/06

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