Leitsätze (amtlich)

  1. Der Leistungsbezug aus einer vom Erblasser zur Befreiung von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung unterliegt nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer. 2. Die familienrechtliche Pflicht des Erblassers, für die Alterssicherung des überlebenden Ehegatten zu sorgen, schließt die Unentgeltlichkeit der Zuwendung im Valutaverhältnis zu diesem nicht aus.
 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres 1991 verstorbenen Ehemannes (E). E war bis zu seinem Tod als Angestellter beschäftigt. Die LV-AG zahlte nach Eintritt des Erbfalls aus von E abgeschlossenen Lebensversicherungen u.a. an die Klägerin als Bezugsberechtigte 171 272 DM aus. Die BfA hatte E ab 1.1.1968 gemäß Art. 2 § 1 AnVNG von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die von E abgeschlossenen Lebensversicherungen befreit. Das Finanzamt behandelte die Leistung aus der befreienden Lebensversicherung als nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtig. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Auf die Revision des Finanzamt hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Die an die Klägerin ausgezahlte Versicherungssumme erfüllt diese Voraussetzungen, weil die Klägerin als Bezugsberechtigte der von E abgeschlossenen Versicherungsverträge bei dessen Tod unmittelbar einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer auf Zahlung der Versicherungssumme erworben hat. Anders als bei den Versorgungsansprüchen der Hinterbliebenen von Beamten, Richtern und Soldaten bzw. bei den Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung als Zwangsmitgliedschaft, denen regelmäßig eine vertragliche Grundlage fehlt, beruht die Auszahlung der Versicherungssummen an die Klägerin auf den zwischen dem E und der LV-AG abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass E die Versicherungsverträge mit dem Ziel abgeschlossen hat, sich nach Art. 2 § 1 Satz 1 Buchst. b AnVNG von der Pflichtversicherung befreien zu lassen. Dieses Motiv vermag das Merkmal der "vertraglichen Grundlage" nicht zu beseitigen. Die "befreiende" Lebensversicherung unterscheidet sich in keiner Beziehung von jedem anderen, unter § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG fallenden Lebensversicherungsvertrag. Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG verlangt aber des weiteren, dass die Zuwendung zu einer objektiven Bereicherung beim Zuwendungsempfänger geführt hat und der Erblasser insoweit den Willen zur Freigebigkeit hatte. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Auszahlung der Versicherungssumme an die Klägerin hat nicht nur zu deren objektiven Bereicherung geführt, sondern stand auch weder in rechtlichem Zusammenhang mit einer Gegenleistung der Klägerin noch diente sie zur Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit. Die Klägerin hatte gegen E insbesondere keinen familienrechtlichen Anspruch auf die Zuwendung der Versicherungssumme[2]. Zwar besteht für den erwerbstätigen Ehegatten aufgrund der §§ 1360, 1360a BGB eine Verpflichtung, nicht nur den gegenwärtigen, sondern entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch für die dauernde Sicherung des zukünftigen Unterhalts des anderen Ehegatten zu sorgen[3]. Ein konkreter Leistungs- oder Zahlungsanspruch gegen den unterhaltsverpflichteten Ehegatten ergibt sich hieraus aber nicht. Dieser ist vielmehr im Verhältnis zum anderen Ehegatten in der Art und Weise der Unterhaltssicherung frei. So können nichtselbständig Beschäftigte dieser Pflicht durch den Erwerb von Versorgungsanwartschaften aus öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen, der gesetzlichen Rentenversicherung oder der betrieblichen Altersversorgung nachkommen, während Selbständige auch durch Ansammlung von Vermögen, Abschluss von Lebensversicherungen usw. ihr genügen können. In keinem Fall hat jedoch der unterhaltsberechtigte Ehegatte gegen den unterhaltsverpflichteten Partner während bestehender Ehe einen Anspruch auf (anteilige) Aushändigung des der (gemeinsamen) Altersversorgung dienenden Vermögens. Vielmehr besteht nur ein Anspruch auf eine vom unterhaltsverpflichteten Ehegatten abgeleistete Sicherung des künftigen Unterhalts. Der Versorgungsgedanke allein genügt im Übrigen nicht, um einen Erwerb, der den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfüllt, als erbschaftsteuerfrei zu behandeln[4]. Dies folgt auch aus der Freibetragsregelung in § 17 ErbStG, die sonst bedeutungslos wäre.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 24.10.2001 – II R 10/00

[2] A.A. z.B. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, München 2001, § 3 Rz. 311
[3] Vgl.BGH-Beschlus...

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