Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer trägt die Feststellungslast dafür, dass der in der Rechnung einer GmbH angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat. Es besteht eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern. Dies gilt für alle zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen, unabhängig von der Rechtsform des Rechnungsstellers.
Sachverhalt
Das Finanzamt versagte einem Kfz-Händler den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma W in N (Deutschland) über aus Italien reimportierte Pkw. Nach den Feststellungen des Finanzamts stellte die Adresse in N eine Scheinadresse dar, da der Rechnungsaussteller dort lediglich "papiermäßig" in eine fingierte Lieferkette eingeschaltet gewesen sei. Der in Italien ansässige tatsächliche Lieferer hatte die in Italien gekauften Pkws in Deutschland an deutsche Abnehmer weiterveräußert. Das bei einer Bank in Deutschland eingerichtete Geschäftskonto wurde, trotz Millionenumsätze binnen weniger Monate, nicht genutzt. Unter der Anschrift in N war nur ein Büroservice der Firma D ansässig. Im Zeitpunkt der Rechnungserteilung war aufgrund der Angaben in den Rechnungen nicht leicht und eindeutig feststellbar, dass der Leistende der in Italien ansässige KW war. Dass KW unter der Anschrift in N ein Gewerbe angemeldet hatte und nach Aufgabe der Tätigkeit im Folgejahr beim Finanzamt eine Umsatzsteuer-Voranmeldung abgab, genügt nicht zu seiner Identifizierung. Damit konnte lediglich der Büroservice der Firma D ausfindig gemacht werden.
Nach Auffassung des BFH war der Vorsteuerabzug zu versagen, weil die Adresse in den Rechnungen nicht die Adresse des leistenden KW gewesen ist. In zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen müssen grundsätzlich der richtige Namen (Firma) und die richtige Adresse des Leistenden angegeben sein. Dies soll dem Finanzamt wegen des Sofortabzugs der Vorsteuer eine leicht nachprüfbare Feststellung des Leistenden ermöglichen. Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer muss sich über die Richtigkeit der Rechnungsangaben vergewissern und trägt deshalb die Feststellungslast dafür, dass der in der Rechung angegebene Sitz des Leistenden bei Ausführung der Leistung und bei Stellung der Rechnung tatsächlich bestanden hat.
Die Tätigkeit des Büroservice beschränkte sich auf die Weiterleitung eingehender Telefonanrufe und Postsendungen; unternehmerische Tätigkeit in Form von Geschäftsleitung, Behördenkontakten oder Zahlungsverkehr erfolgte nicht. Ob ein "Briefkasten-Sitz" mit postalischer Erreichbarkeit als hinreichende Adresse des Leistenden überhaupt in Betracht kommt, liess der BFH offen. Das ist jedenfalls nicht der Fall, wenn detaillierte Feststellungen die Annahme eines "Scheinsitzes" rechtfertigen.
Ob die Gewährung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgründen wegen Gutglaubensschutz möglich ist, liess der BFH offen, weil der Steuerpflichtige wusste, dass KW einen Wohnsitz in Italien hatte und seine Handy-Nummer eine italienische Vorwahl hatte.
Hinweis
Die erforderliche Prüfung, ob der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Stellung der Rechnung tatsächlich bestanden hat, gilt nun verschärft für alle Rechnungen, unabhängig von der Rechtsform des Abrechnenden. In der Praxis ist dies daher gerade bei größeren Rechnungsbeträgen zu beachten. Es sollte ggf. die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer erst bei Klärung aufgetretener Zweifel über den Sitz des Leistenden an diesen bezahlt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 6.12.2007, V R 61/05.