Leitsatz

Langjährige Verluste eines selbständig tätigen Rechtsanwalts, dessen Einnahmen ohne plausible Gründe auf niedrigstem Niveau stagnieren und der seinen Lebensunterhalt aus erheblichen anderweitigen Einkünften bestreitet, sprechen regelmäßig dafür, dass er seine Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen fortführt (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22.4.1998, XI R 10/97, BStBl II 1998, S.663 = INF 1998, S.601).

 

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt erzielte positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen, jedoch langjährige Verluste aus der selbständigen Anwaltstätigkeit. In den Streitjahren 1990 und 1991 betrugen die Verluste 15485DM bzw. 9450DM bei Einnahmen von 2875DM bzw. 3832DM. In den vier Jahren zuvor und den sieben Jahren danach hatten die Einnahmen bis auf das Ausnahmejahr 1992 stets zwischen ca. 2500DM und ca. 5900DM gelegen. Die Einnahmen in 1992 von 13896DM beruhten auf einer einmaligen Krankheitsvertretung. Das Finanzamt versagte den Abzug der Verluste wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH sah ebenfalls die Voraussetzungen für die Annahme einer Anwaltstätigkeit aus Liebhaberei für gegeben. Auch bei der Einkunftsart "selbständige Arbeit" ist eine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich, damit die negativen Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt werden können. Zwar spricht bei einem Rechtsanwalt der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er seine selbständige Tätigkeit in der Absicht betreibt, Gewinne zu erzielen. Dieser Anscheinsbeweis entfällt jedoch dann, wenn langjährig Verluste erwirtschaftet werden und die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Motive für die Fortführung des Unternehmens bestimmend sind. Für das FG waren im Streitfall keine Gründe erkennbar, warum die ständig niedrigen Honorareinnahmen der Anwaltskanzlei nicht hätten gesteigert werden können. Es hat daraus den Schluss gezogen, dass der Kläger, dem für den Lebensunterhalt erhebliche anderweitige Einkünfte zur Verfügung standen, die Anwaltskanzlei aus persönlichen Gründen betrieben hat, nämlich wegen des mit dem Rechtsanwaltsberuf verbundenen Sozialprestiges, um im Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und um eine sinnvolle Beschäftigung zu haben. Diese Wertung war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Praxishinweis

Der XI. Senat hatte bereits vor einigen Jahren einen Fall zu entscheiden, in dem das FG die verlustbringende Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Liebhaberei eingestuft hatte[1]. Damit, so betont der Senat nun ausdrücklich, ist der Besprechungsfall nicht vergleichbar. Dort handelte es sich um eine Rechtsanwaltskanzlei, die in repräsentativ ausgestatteten Räumen betrieben wurde, jährlich sechsstellige Honorareinnahmen erzielte und ständig mindestens zwei Arbeitnehmer beschäftigte. Das FG hatte dem Rechtsanwalt bescheinigt, dass er seine Anwaltstätigkeit mit vollem persönlichen Einsatz bei allerdings subjektiv schlechter Betriebsführung ausgeübt hatte. Persönliche Gründe oder Motive waren in diesem Fall weder festgestellt worden noch naheliegend. Im Besprechungsfall hat der Anwalt die Kanzlei "im Wohnzimmer betrieben". Dabei war das Vorbringen, trotz redlichen Bemühens seien keine höheren Honorareinnahmen erzielbar, nach den Feststellungen des FG nicht plausibel.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 14.12.2004, XI R 6/02

[1] Vgl. BFH-Urteil vom 22.4.1998, XI R 10/97, BStBl II 1998, S.663 = INF 1998, S.601

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