Leitsatz
Ein angestellter Chefarzt bezieht mit den Einnahmen aus dem ihm eingeräumten Liquidationsrecht für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen in der Regel Arbeitslohn, wenn die wahlärztlichen Leistungen innerhalb des Dienstverhältnisses erbracht werden.
Sachverhalt
Ein an einem Kreiskrankenhaus angestellter Chefarzt hatte im Rahmen der Krankenhausleistungen alle Patienten seiner Abteilung zu behandeln. Er war in seiner ärztlichen Verantwortung unabhängig, aber im Übrigen weisungsgebunden und verpflichtet, mit ärztlichem und anderem Personal zusammenzuarbeiten. Er bezog neben einem Grundgehalt nach BAT Honorare für Gutachten und im Rahmen des Liquidationsrechts für wahlärztliche Leistungen sowie aus einer genehmigten Sprechstundentätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Honorare aus dem Liquidationsrecht zog das Krankenhaus gegen eine Gebühr von 5 % ein und kam für Ausfälle nicht auf. Der Chefarzt musste nachgeordnete Ärzte zu 20 % an den Liquidationserlösen beteiligen und an das Krankenhaus ein Nutzungsentgelt zahlen. Vereinbarungen über die Gewährung von Wahlleistungen trafen die Patienten unmittelbar mit dem Krankenhaus. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung unterwarf das Krankenhaus die Einnahmen aus dem Liquidationsrecht dem Lohnsteuerabzug. Den Einspruch des Chefarztes gegen die Lohnsteuer-Anmeldung Februar 1998 wies das Finanzamt zurück. Die hiergegen erhobene Klage – zwischenzeitlich war im November 2000 der Einkommensteuerbescheid 1998 ergangen – hatte keinen Erfolg. Der mit der Revision verfolgte Antrag, die Rechtswidrigkeit der Lohnsteuer-Anmeldung festzustellen, blieb ebenfalls erfolglos.
Entscheidung
Der BFH führt vorab aus, dass auch ein Arbeitnehmer eine Lohnsteuer-Anmeldung anfechten kann, und dass nach Erledigung der Hauptsache zur Fortsetzungsfeststellungsklage überzugehen ist. In der Sache hatte die Revision keinen Erfolg, da die Honorare aus wahlärztlichen Leistungen zu Recht dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden waren. Insofern wurden nur Leistungen entgolten, die der Chefarzt nach seinem Anstellungsverhältnis dem Krankenhaus geschuldet hatte. Er war organisatorisch eingegliedert, zumal er diese Leistungen ausschließlich im Krankenhaus mit dessen Geräten und Einrichtungen bewirken durfte. Und er trug im Wesentlichen weder Unternehmerinitiative noch Unternehmerrisiko. Auf den Umfang der wahlärztlichen Leistungen hatte er kaum Einfluss, da die Verträge unmittelbar zwischen Patient und Krankenhaus zustande kamen und er die Durchführung grundsätzlich nicht ablehnen konnte. Bei einem Forderungsausfall minderten sich entsprechend seine Abführungspflichten, sodass ihm insofern kein Verlust erwachsen konnte. Letztlich hat das FG in vertretbarer Einzelfallwürdigung festgestellt, das die Liquidationserlöse Ertrag der Arbeit als angestellter Chefarzt waren, woran der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO wie an sonstige Tatsachenwürdigungen gebunden ist.
Praxishinweis
Die Entscheidung stimmt mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung überein, nach der auch Zahlungen Dritter (hier: der Patienten) Arbeitslohn sind, wenn sie für Leistungen erfolgen, zu deren Erbringung der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber verpflichtet ist. Da dem Arbeitgeber die Höhe der Entgelte bekannt war, lagen auch die Voraussetzungen vor, unter denen Lohnzahlungen Dritter dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Insofern kam es nicht mehr darauf an, ob das Krankenhaus als Vertragspartner der Wahlleistungen eigene Einnahmen erzielte, die es teilweise als Arbeitslohn weitergab oder ob der Chefarzt originär Einnahmen erzielte, die aber bei ihm Ertrag der Arbeit, also Lohn waren.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 5.10.2005, VI R 152/01