Leitsatz
Für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen nach § 4 Nr. 14 UStG 1993 reicht es nicht aus, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden können, vielmehr müssen sie der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen.
Sachverhalt
Ein Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie führte im Rahmen von Privatliquidationen medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen durch. Das Finanzamt setzte zunächst keine Umsatzsteuer fest, war aber nach einer Außenprüfung der Auffassung, dass diese Leistungen nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG 1993 fallen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Mit der Revision wandte sich der Chirurg in erster Linie gegen diese Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG, der nach seiner Ansicht die Ausübung der Heilkunde durch einen Arzt erfasse, auch wenn sie keinem therapeutischen Ziel diene. Ferner machte er geltend, vor dem 1.1.2003 erbrachte Leistungen auf dem Gebiet der Schönheitschirurgie seien als steuerfrei zu behandeln, soweit Erlasse oder Verfügungen entsprechende Vertrauenstatbestände geschaffen haben. Die Steuer sei auch aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO auf 0 DM herabzusetzen.
Entscheidung
Der BFH bestätigte, dass § 4 Nr. 14 UStG richtlinienkonform einschränkend auszulegen ist. Nach der EuGH-Rechtsprechung ergibt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. RL, dass medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, nicht steuerbefreit sind. § 4 Nr. 14 UStG ist entgegen dem Revisionsvorbringen einer richtlinienkonformen Auslegung zugänglich, weil die Vorschrift nicht eindeutig im Sinne des Klagebegehrens ist. Bereits nach der BFH-Rechtsprechung zu § 4 Nr. 14 UStG 1967 waren nicht alle vom Arzt ausgeführten Umsätze steuerfrei, sondern nur diejenigen, die er in Ausübung seiner heilkundlichen Tätigkeit bewirkte.
Der Hilfsantrag, die Umsatzsteuer gemäß § 163 AO aus Billigkeitsgründen auf 0 DM festzusetzen, war unzulässig. Da das FG lediglich über die Anfechtungsklage gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1996 bis 1998 entschieden hat, konnte der BFH aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht über den Billigkeitsantrag entscheiden. Er wies darauf hin, dass bei der – gegebenenfalls noch möglichen – Entscheidung über den Billigkeitsantrag auch die frühere Behandlung der Schönheitsoperationen durch die Finanzverwaltung eine Rolle spielen kann.
Praxishinweis
Praktische Bedeutung für ähnliche Fälle, die in die Übergangszeit zum Ergehen des EuGH-Urteils vom 14.9.2000 fallen, dürfte die Bemerkung im Urteil zum Billigkeitsverfahren und zur "früheren Behandlung der Schönheitsoperationen durch die Finanzverwaltung" haben. Bis zum Ergehen des EuGH-Urteils bejahte die wohl herrschende Meinung z.B. eine Tätigkeit als Arzt bereits dann, wenn die Gutachtertätigkeit nur durch einen Arzt erfolgen konnte. Dem entspricht, dass auch die Leistungen der Schönheitschirurgen als steuerfrei behandelt wurden, da auch sie nur von einem Arzt durchgeführt werden können. Insoweit kann gegebenenfalls mit Anträgen wegen sachlicher Unbilligkeit die Anwendung der Verwaltungsauffassung geltend gemacht werden, soweit entsprechende Ländererlasse vorliegen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 15.7.2004, V R 27/03