BGB §§ 558a Abs. 4
Ist kein Mietspiegel vorhanden, kann der Vermieter das Mieterhöhungsverlangen mit einem Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde begründen. Die Vergleichbarkeit muss unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls anhand konkreter Merkmale festgestellt werden. Dabei kommt es insbesondere auf die jeweilige Einwohnerzahl, auf die Erreichbarkeit der infrastrukturellen Einrichtungen, wie Schulen oder Krankenhäuser, auf das Wirtschaftsangebot sowie auf Kultureinrichtungen wie Theater oder Kinos an.
(Leitsatz der Redaktion)
Das Problem
Nach § 558a Abs. 2 Nr. 1a BGB kann der Vermieter ein Mieterhöhungsverlangen u. a. unter Bezugnahme auf einen Mietspiegel begründen. Ist kein Mietspiegel vorhanden, kann auch ein Mietspiegel einer "vergleichbaren Gemeinde" verwendet werden (§ 558a Abs. 4 Satz 2 BGB). In dem zur Entscheidung stehenden Fall befand sich die Mietwohnung in der Stadt Stein. Für diese Gemeinde besteht kein Mietspiegel. Der Vermieter hat deshalb das Mieterhöhungsverlangen mit dem Mietspiegel der benachbarten Stadt Fürth begründet. Der BGH hatte zu entscheiden, ob es sich bei den betreffenden Städten um vergleichbare Gemeinden i. S. d. § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB handelt.
Die Entscheidung
Nein! In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass der Vermieter bereits dann auf den Mietspiegel der Nachbargemeinde zugreifen kann, wenn es an der Vergleichbarkeit der jeweiligen Gemeinden nicht "offensichtlich" fehlt (Börstinghaus, in Schmidt-Futterer, § 558a Rn. 45 m. w. N.).
Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Nach seiner Meinung muss die Vergleichbarkeit "unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls" anhand konkreter Merkmale festgestellt werden. Dabei kommt es insbesondere
- auf die jeweilige Einwohnerzahl,
- auf die Infrastruktur der jeweiligen Städte (Erreichbarkeit der infrastrukturellen Einrichtungen, wie Schulen oder Krankenhäuser),
- auf das Wirtschaftsangebot sowie
- auf Kultureinrichtungen (Theater, Kinos) an.
Der BGH führt unter Bezugnahme auf diese Kriterien aus, dass in der Stadt Fürth etwa 125.000 Einwohner leben, während die Stadt Stein nur ca. 15.000 Einwohner hat. Die Stadt Fürth gelte als Oberzentrum im Sinne des bayerischen Landesentwicklungsprogramms, während es sich bei der Stadt Stein um keinen solchen zentralen Ort mit überörtlich relevanten Einrichtungen (etwa Theatern, Kinos, Krankenhäusern) handelt. Zudem befinden sich im Stadtgebiet von Stein im Gegensatz zu Fürth weder eine U-Bahn- noch eine S-Bahn-Haltestelle, was für die Erreichbarkeit der infrastrukturellen Angebote sowohl innerhalb der Stadt als auch in der Gesamtregion für die Einwohner von Bedeutung sei.
Der BGH führt weiter aus, dass die gemeinsame Nähe der beiden Gemeinden zu einer Großstadt (hier: Nürnberg) keine entscheidende Rolle spiele und dass die Entwicklung der Grundstückspreise in den jeweiligen Gemeinden keine verlässlichen Rückschlüsse auf die ortsüblichen Mieten zulasse.
BGH, Urteil v. 21.8.2019, VIII ZR 255/18
Sind die jeweiligen Gemeinden nicht vergleichbar, so ist das Mieterhöhungsverlangen formell unwirksam. Der Vermieter kann im Verlauf der Zustimmungsklage ein wirksames Erhöhungsverlangen nachholen (z. B. Vergleichswohnungen benennen) und auf diese Weise den Mangel beheben. Dabei ist darauf zu achten, dass der Mieter die Erklärung als erneutes Erhöhungsverlangen erkennen kann. Dem Mieter steht auch in diesem Fall die Zustimmungsfrist nach § 558b Abs. 2 Satz 1 BGB zu.