Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Der Abschluss eines Mietvertrags unter Angehörigen stellt nicht schon deshalb einen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO dar, weil der Mieter das Grundstück zuvor gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen hat.
BFH-Urteil vom 10.12.2003, IX R 12/01
HaufeIndex 1127424
Es stellt keinen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO dar, wenn auf die Ausübung eines im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumten unentgeltlichen Wohnungsrechts verzichtet und stattdessen zwischen dem Übertragenden und dem neuen Eigentümer des Grundstücks ein Mietvertrag geschlossen wird; der Fortbestand des dinglichen Wohnungsrechts allein hindert die Wirksamkeit des Mietvertrags nicht. Auf die Unentgeltlichkeit kann konkludent durch Abschluss des Mietvertrags verzichtet werden.
BFH-Urteil vom 17.12.2003, IX R 60/98
HaufeIndex 1127425
- Es stellt einen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO dar, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes, unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins in Höhe der dauernden Last vereinbart wird.
BFH-Urteil vom 17.12.2003, IX R 56/03
HaufeIndex 1127423
Sachverhalt
In allen Entscheidungen geht es darum, ob Mietverträge unter Angehörigen steuerrechtlich als Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO zu beurteilen sind, wenn der Mieter das Grundstück zuvor gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen hat.
Entscheidung
Nach dem Grundsatzfall IX R 12/01 stellt der Abschluss eines solchen Mietvertrags allein keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Sohn S hatte von seinen Eltern ein Zweifamilienhaus übertragen bekommen, ihnen im Gegenzug im Obergeschoss des Hauses ein Wohnungsrecht eingeräumt und sich zur lebenslänglichen Zahlung von monatlich 400 DM verpflichtet. Wie im Übertragungsvertrag vorgesehen, schloss S mit seinen Eltern einen Mietvertrag, nach dem diese 500 DM Miete monatlich zu zahlen hatten. Das Finanzamt meinte, die Werbungskostenüberschüsse aus dem Mietverhältnis seien nicht zu berücksichtigen, weil es sich um einen Gestaltungsmissbrauch handele.
Dem folgte der BFH nicht: Eigentumsübertragung und anschließende Vermietung sind zivilrechtlich und wirtschaftlich getrennt und auch steuerrechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander zu beurteilen. Es ist unerheblich, ob das Eigentum unentgeltlich, gegen einen in einem Betrag geleisteten Kaufpreis, gegen Kaufpreisraten oder gegen Versorgungsleistungen übertragen wird. Dass die Versorgungsleistung im Wesentlichen der Miete entspricht, bedeutet keinen Gestaltungsmissbrauch. Auch ein Nebeneinander von Wohnungsrecht und Mietvertrag ist zivilrechtlich zulässig und steuerrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Im Urteil IX R 60/98 hat der BFH einen Gestaltungsmissbrauch auch dann verneint, wenn der frühere Eigentümer auf die Ausübung eines ihm im Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung eingeräumten unentgeltlichen Wohnungsrechts verzichtet und statt dessen später mit dem neuen Eigentümer einen Mietvertrag schließt. Ersetzen also die Vertragspartner eine bisher gewährte unentgeltliche Nutzungsüberlassung durch eine entgeltliche, so stellen sie eine Rechtslage her, die sie bereits beim Eigentumsübergang hätten herstellen können und deren Herstellung zu einem späteren Zeitpunkt nicht anders beurteilt werden kann.
Im Urteil IX R 56/03 hat es der BFH als missbräuchlich angesehen, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einer Miete in Höhe der dauernden Last vereinbart wird. In diesem Fall hatte A von seiner Mutter ein Gebäude übertragen bekommen, an dem zugleich ein unentgeltliches Wohnungsrecht für die Mutter eingetragen worden war. Später verzichtete die Mutter auf das Wohnungsrecht; A verpflichtete sich, an sie ab diesem Zeitpunkt an Stelle des Wohnungsrechts 400 DM monatlich als dauernde Last zu zahlen. Gleichzeitig schlossen A und seine Mutter einen Mietvertrag, nach dem sie an ihn eine Miete von 400 DM zu zahlen hatte.
Nach Auffassung des BFH liegt hier ein Gestaltungsmissbrauch vor, weil die Vertragsparteien durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene erreicht haben, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung kommt. Die Parteien haben zwar wechselseitige Zahlungspflichten begründet; diese gleichen sich aber aus und verändern die Position der unentgeltlich nutzenden Mutter tatsächlich und wirtschaftlich nicht. Werbungskostenabzug bei A und dauernde Last sind also nicht zu berücksichtigen.
Praxishinweis
Mit diesen Entscheidungen sorgt der BFH für Klarheit in einem wichtigen Bereich. Er trennt zwei Ebenen voneinander, die Vermögens- und die Nutzungsebene. Leistungen auf Grund von Vereinbarungen, die beide Ebenen berühren, etwa im Fall IX R 12/01, können nicht miteinander saldiert oder v...