Verkehrssicherungspflicht verletzt
Ein Modegeschäft verletzt seine Verkehrssicherungspflicht, wenn es seine Auslagen auf einem Warenständer präsentiert, der von einem 4-jährigen Kleinkind mit geringem Kraftaufwand gekippt werden kann.
Schwere Augenverletzung
Die Eltern der seinerzeit 4-jährigen Klägerin hatten das beklagte Modegeschäft aufgesucht, um dort einzukaufen. Die Klägerin spielte zunächst in der Spielecke des Modehauses. In einem von ihren Eltern nicht beobachteten Moment begab sie sich zu einem Warenständer in der auf derselben Etage befindlichen Herrenabteilung, in der sich ihre Eltern aufhielten. An dem ca. 1,60 m hohen, mittels Rollen leicht zu bewegenden Ständer waren zu verkaufende Gürtel aufgehängt. Die Klägerin zog an einem Gürtel und brachte so den Ständer zum Kippen. Der Ständer fiel auf die Klägerin und fügte ihr aufgrund eines hervorstehenden Zinkens eine schwere Augenverletzung zu.
Nach Ansicht des OLG Hamm hatte das Modegeschäft seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil es Gürtel auf einem Warenständer angeboten hatte, der bei einer geringen Zugbelastung von nur 800 Gramm, die nach Aussage eines Sachverständigen auch ein Kleinkind ausüben kann, zum Umstürzen gebracht werden konnte. Aufgrund der Beschaffenheit des Ständers mit den als Haltevorrichtung für die Gürtel dienenden Zinken hatte die Gefahr erheblicher Verletzungen bestanden, wenn der Ständer umfiel.
Gefahrenquelle
Diese Gefahrenquelle hätte das beklagte Modehaus beseitigen müssen. Darauf durften Kunden vertrauen, die das Modehaus gemeinsam mit ihren Kindern aufsuchten. Modegeschäfte lenken – so das Gericht – die Aufmerksamkeit von Eltern bewusst auf die präsentierten Waren und nicht auf Gefahren, die vom Mobiliar für Kinder ausgehen könnten. Hinzu kommt, dass Kinder im Alter der Klägerin kurze Momente der Unaufmerksamkeit ihrer Eltern dazu nutzten, ihrem Spieltrieb entsprechend ihre Umgebung zu erkunden und aus kindlicher Neugier ohne die gebotene Vorsicht auch an Einrichtungen oder Waren zu ziehen.
Ausreichende elterliche Aufsicht
Deswegen sind die Betreiber von Bekleidungsgeschäften gehalten, die für die Präsentation von Waren vorgesehenen Einrichtungen so aufzustellen, dass sie von kleinen Kindern, die ihre Eltern beim Einkauf begleiteten, nicht ohne großen Kraftaufwand zum Umfallen gebracht werden können.
Die gebotene elterliche Aufsicht kann nur solche Sicherungsmaßnahmen entbehrlich machen, die von den Eltern unschwer zu beherrschen seien. Auf die von dem Gürtelständer ausgehende Gefahr trifft das nach Meinung des Gerichts nicht zu, weil Eltern nicht damit rechnen müssen, dass eine derartige Ladeneinrichtung bereits bei einem leichten Ziehen ihres Kindes umfällt.
(OLG Hamm, Urteil v. 6.3.2014, 6 U 186/13)