Leitsätze (amtlich)

  1. Die Befugnis, den Abzug in einem Jahr nicht ausgenutzter Grundförderbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG innerhalb des Abzugszeitraums nachzuholen, hängt nicht davon ab, dass der Steuerpflichtige im Jahr der Nachholung noch zur Inanspruchnahme eines Abzugsbetrags berechtigt ist.
  2. Stand dem Steuerpflichtigen in einem Jahr des Abzugszeitraums nur deshalb ein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG für die von ihm angeschaffte zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung zu, weil seine Ehefrau noch keine Förderung für ein Objekt beansprucht hatte, kann er den Abzug des in diesem Jahr nicht ausgenutzten Grundförderbetrags auch in einem Jahr des Abzugszeitraums nachholen, in dem wegen der Trennung der Eheleute die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG nicht mehr vorliegen und der Steuerpflichtige deshalb keinen Anspruch auf die Förderung eines zweiten Objekts mehr hat.
 

Sachverhalt

Der Kläger erwarb 1993 eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung. Bei der Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau für 1993 machte er keine Grundförderung nach § 10e EStG geltend. Im Streitjahr 1994 führte das Finanzamt für den Kläger eine Einzelveranlagung durch, weil sich die Eheleute im Jahr 1993 getrennt hatten. Die vom Kläger beantragte Nachholung der Grundförderung für das Jahr 1993 lehnte das Finanzamt ab. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Die Revision des Finanzamts blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 10e Abs. 3 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG (Grundförderung), die er in einem Jahr des Abzugszeitraums nicht ausgenutzt hat, bis zum Ende des Abzugszeitraums abziehen. Weder aus dem Wortlaut des § 10e Abs. 3 Satz 1 EStG noch aus dem mit der Nach-holungsregelung verfolgten Zweck kann hergeleitet werden, der Steuerpflichtige dürfe den Abzug der Grundförderbeträge nur dann nachholen, wenn er auch im Jahr der Nachholung noch alle Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme erfüllt. Nach dem Gesetzeswortlaut ist für die Nachholung lediglich erforderlich, dass der Steuerpflichtige ihm in einem Jahr des Abzugszeitraums zustehende Abzugsbeträge - z.B. mangels Geltendmachung oder mangels steuerlicher Auswirkung - nicht ausgenutzt hat und dass der Abzugszeitraum noch nicht beendet ist. Die dem Wortlaut der Vorschrift entsprechende Auslegung wird bestätigt durch § 10e Abs. 5a EStG. Danach darf der Abzug der Grundförderbeträge nur für Veranlagungszeiträume nachgeholt werden, in denen die Einkunftsgrenzen dieser Vorschrift eingehalten sind. Eine Überschreitung der Einkunftsgrenzen im Jahr der Nachholung ist demnach unerheblich. Das zeigt, dass die Nachholungsregelung nicht nur zur Ausnutzung von Progressionsvorteilen geschaffen wurde, sondern auch ermöglichen soll, einmal entstandene Ansprüche innerhalb zeitlicher - durch den Abzugszeitraum bestimmter - Grenzen unter Durchbrechung des Abschnittsprinzips in einem späteren Veranlagungszeitraum geltend zu machen.

Entgegen der Ansicht des Finanzamts ist die Nachholung auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil abzugsberechtigter Steuerpflichtiger im Jahr 1993 und die Nachholung begehrender Steuerpflichtiger im Streitjahr 1994 nicht identisch sind. Auch bei Ehegatten ist derjenige abzugsberechtigt, der in seiner Person die Abzugsvoraussetzungen des § 10e EStG erfüllt. Das ist bei Alleineigentum nur der Eigentümer-Ehegatte, bei gemeinschaftlichem Eigentum jeder Ehegatte nach Maßgabe seines Miteigentumsanteils[2]. Bei einer Zusammenveranlagung ist es für die Inanspruchnahme der Förderung unerheblich, wer die Abzugsvoraussetzungen erfüllt, weil die Ehegatten hinsichtlich des Abzugs "wie Sonderausgaben" gemäß § 26b EStG als ein Steuerpflichtiger behandelt werden[3]. Abzugsberechtigter und damit auch Nachholberechtigter ist aber der Eigentümer.

1993 lagen beim Kläger und seiner Ehefrau die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vor. Da die Ehefrau bisher noch keine Förderung für ein Objekt beansprucht hatte, war der Kläger - unabhängig von der gewählten Veranlagungsform - zur Inanspruchnahme der Grundförderung für die Eigentumswohnung als Zweitobjekt berechtigt. Da er die Förderung 1993 bei der Zusammenveranlagung nicht geltend gemacht hat, ist er zur Nachholung des nicht abgezogenen Betrags in einem späteren Jahr des Abzugszeitraums berechtigt, auch wenn ihm für das spätere Jahr aufgrund der Trennung von seiner Ehefrau keine Förderung für ein zweites Objekt mehr zusteht. Der Anspruch des Klägers auf einen Abzugsbetrag für 1993 bleibt aber bestehen. Ein Wechsel von der Zusammenveranlagung zur Einzelveranlagung steht der Nachholung nicht entgegen.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 29.11.2000 – X R 13/99

[2] Vgl.BFH-Urteilvom 15.11.1995, XR 59/95, BStBl II1996, S. 356 = INF 1996, S. 377
[3] Vgl. ebenda

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