Leitsatz
Bestreitet ein Steuerberater, den Steuerbescheid eines Mandanten erhalten zu haben, ist die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO auch dann widerlegt, wenn er kein Fristenkontrollbuch führt, sofern nicht weitere Indizien für den Zugang des Bescheids sprechen.
Sachverhalt
Das Finanzamt erließ einen Körperschaftsteuer-Schätzungsbescheid gegen eine GmbH und wies den dagegen gerichteten Einspruch zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde am 6.2.2001 mit einfachem Brief an den Steuerberater der GmbH abgesandt. Am 6.6.2001 erging eine Einspruchsentscheidung wegen des Bescheids über das verwendbare Eigenkapital. Darauf gab der Steuerberater für die GmbH Steuererklärungen ab und trug vor, die Einspruchsentscheidung vom 6.2.2001 nicht erhalten zu haben. Das Finanzamt sah darin einen Antrag auf Änderung des Körperschaftsteuerbescheids; diesen Antrag lehnte es ab, nachdem der Steuerberater trotz Aufforderung kein Fristenkontroll- oder Postausgangsbuch vorgelegt hatte.
Entscheidung
Nach § 122 Abs. 2 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post bekannt gegeben. Im Zweifel muss die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts nachweisen. Dieser Nachweis kann zwar auch durch Indizien geführt werden. Dafür reicht aber der Hinweis auf das Fehlen eines Postausgangs- und Fristenkontrollbuchs nicht aus. Werden diese Unterlagen nicht geführt, so liegt darin zwar ein Organisationsmangel, der einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehen kann. Auch kann ein solches Verhalten geeignet sein, gegebenenfalls vorhandene weitere Indizien für den Zugang eines Verwaltungsakts zu verstärken. Solche weiteren Indizien liegen aber hier nicht vor, weshalb das Finanzamt den ihm obliegenden Zugangsnachweis nicht geführt hat. Das Einspruchsverfahren ist daher nicht abgeschlossen; der Steuerbescheid kann unter Berücksichtigung der eingereichten Erklärung geändert werden.
Praxishinweis
- Das Urteil hat für die Praxis vor allem deshalb große Bedeutung, weil das "schlichte" Bestreiten des Zugangs danach auch bei einem Steuerberater ausreicht, um die Beweislast des Finanzamts auszulösen. Der Steuerberater muss also hierfür nicht etwa dartun, dass und weshalb er sich im Fall des Eingangs der Postsendung an diese erinnern würde. Dasselbe gilt, wenn der Bescheid an den Steuerpflichtigen selbst abgesandt wurde.
- Zudem bestätigt der BFH seine Rechtsprechung, nach der eine im Handelsregister gelöschte GmbH weiterhin Klägerin eines steuergerichtlichen Verfahrens sein kann, solange sie von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wird.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 31.5.2005, I R 103/04