Leitsatz

Hat ein unentgeltliches Nutzungsrecht, welches im Rahmen der Feststellung der Ertrags- und Mindestwerte nach den Absätzen 2 bis 6 des § 146 BewG unberücksichtigt bliebe, den vom Steuerpflichtigen nach § 146 Abs. 7 BewG nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert (wertmindernd) beeinflusst, kann der nachgewiesene Wert nicht zur Feststellung eines niedrigeren Grundstückswerts führen.

 

Sachverhalt

Zum Nachlass gehört ein Grundstück, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Der Erblasser hatte zu Lebzeiten einem Miterben das Recht eingeräumt, das Grundstück im Wesentlichen unentgeltlich zu nutzen. Das Belegenheits-Finanzamt stellte den Grundstückswert (Bedarfswert) für das Grundstück gegenüber allen Miterben einheitlich auf 1310 000 DM fest und rechnete diesen den Miterben jeweils entsprechend ihrem Anteil am Nachlass gesondert zu. Die Miterben möchten nach § 146 Abs. 7 BewG den gemeinen Wert des Grundstücks zugrundelegen, der sich aus dem nach Eintritt des Erbfalls tatsächlich erzielten Kaufpreis wie auch aus einem zur Aufteilung des Nachlasses in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten ergeben soll, welches den Verkehrswert für das Grundstück unter Berücksichtigung des Nutzungsrechts mit 700 000 DM angibt.

 

Entscheidung

Nach § 146 Abs. 7 BewG ist ein niedrigerer als der sich nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG ergebende Wert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert nachweist. Ein solcher Nachweis kann durch Vorlage eines Gutachtens wie auch durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück geführt werden.

Ein Sachverständigengutachten oder ein Kaufpreis kann aber dann nicht zur Feststellung eines niedrigeren Werts führen, wenn ein unentgeltliches Nutzungsrecht den nachgewiesenen niedrigeren Wert (wertmindernd) beeinflusst hat. Denn dann ergeben sich aus Gutachten oder Kaufpreis (Grundstücks-)Werte, die mit den Steuerwerten nach § 146 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 6 BewG nicht vergleichbar sind, weil unentgeltliche Nutzungsrechte sowohl bei der Ertragswertmethode als auch beim Ansatz des Mindestwerts nach § 146 Abs. 6 BewG unberücksichtigt bleiben.

Im Streitfall ist sowohl bei der Aushandlung des Kaufpreises als auch im Sachverständigengutachten das unentgeltliche Nutzungsrecht des Miterben preismindernd berücksichtigt worden. Beide Werte sind nicht geeignet, zu einer niedrigeren Feststellung des Grundstückswerts nach § 146 Abs. 7 BewG zu führen.

§ 138 Abs. 5 BewG ordnet seinem Wortlaut nach nur eine gesonderte Feststellung des Grundstückswerts an. Dies schließt aber eine einheitliche Feststellung gegenüber mehreren Beteiligten in sinngemäßer Anwendung des § 179 Abs. 2 Satz 2 AO nicht aus. Bei einer Mehrheit von Erben sind deshalb die zum Nachlass gehörenden Gegenstände ihrem Erbanteil entsprechend zuzurechnen.

 

Praxishinweis

Wertmindernde Umstände wie unentgeltliche Nutzungsrechte werden bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer unter den Voraussetzungen des § 10 ErbStG, der hinsichtlich der Bewertung über § 12 ErbStG auch auf die Vorschriften der §§ 13ff. BewG verweist, und unter Beachtung des Abzugsverbots nach § 25 ErbStG berücksichtigt. Eine zweifache Berücksichtigung solcher Belastungen auf der Steuerfestsetzungs- und Bewertungsebene kommt nicht in Betracht.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 8.10.2003, II R 27/02

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