Leitsatz

  1. Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO 1977 in der ab 1997 geltenden Fassung setzt voraus, dass sich zwischen der festgesetzten Steuer und einer vorangegangenen Festsetzung ein Unterschiedsbetrag ergibt. Freiwillige Zahlungen des Steuerpflichtigen auf die Steuerschuld vor deren Festsetzung sind für die Zinsberechnung nach dem Soll-Prinzip grundsätzlich unbeachtlich.
  2. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Steuerpflichtige einen Umsatz rechtsirrtümlich erst in dem auf die Entstehung der Steuerschuld folgenden Jahr – also vor Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 1977 – erklärt und versteuert.
 

Sachverhalt

Eine Bau-GbR, die ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuert, veräußerte im Streitjahr 1997 u. a. vier fertiggestellte Eigentumswohnungen steuerpflichtig. Von den vereinbarten Kaufpreisen waren zum 31.12.1997 Zahlungen von 251 439 DM zuzüglich 37 715,85 DM Umsatzsteuer noch nicht beglichen. Diese Beträge gingen erst in 1998 ein und wurden von der GbR erst in den USt-Voranmeldungen für 1998 erklärt. Das Finanzamt unterwarf die erst 1998 vereinnahmten Entgelte für bereits 1997 ausgeführte Umsätze dagegen für 1997 der Umsatzsteuer. Zugleich setzte es Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO ausgehend von einem Unterschiedsbetrag von 37 700 DM für 9 Monate (1.4.1999 bis 29.1.2000) in Höhe von 1 696 DM fest.

Per Einspruch beantragte die GbR, die Zinsen auf 0 DM festzusetzen und legte eine berichtigte USt-Erklärung für 1998 vor, aus der sich aufgrund des Wegfalls der nunmehr 1997 berücksichtigten Umsätze ein Erstattungsanspruch zu ihren Gunsten in Höhe von 37 715,80 DM ergab. Daneben beantragte sie den Erlass der Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen. Das Finanzamt erließ die festgesetzten Nachzahlungszinsen teilweise (647 DM). Im Übrigen hatten Einspruch und Klage vor dem FG keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Die Festsetzung der Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer war gerichtlich nicht zu beanstanden. Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 233a AO war – wie die Höhe und Berechnung der festgesetzten Zinsen nach § 238 AO – unstreitig.

Die Zinsfestsetzung war nicht deswegen rechtswidrig, weil die GbR vor Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO (hier: 1.4.1999), also innerhalb der sog. Karenzfrist, die streitigen Umsätze in den USt-Voranmeldungen für das I. bis III. Quartal 1998 versteuert hatte. Denn § 233a AO in der hier (ab 1997) geltenden Fassung setzt im Gegensatz zu der bis 1996 geltenden Fassung nicht mehr eine "Steuernachforderung", sondern (lediglich) einen "Unterschiedsbetrag" voraus. Dadurch wollte der Gesetzgeber der BFH-Rechtsprechung[1] die Grundlage entziehen, wonach eine Steuerfestsetzung nicht zu einer Steuernachforderung i. S. des § 233a AO a.F. führen könne, wenn das Finanzamt freiwillige Leistungen auf die Steuerschuld vor deren Festsetzung annehme und hierdurch die festgesetzte Steuer insgesamt erfüllt worden sei. Die Steuerzahlung vor Steuerfestsetzung ist als "freiwillige Zahlung" anzusehen. Eine Übermaßbesteuerung durch Verzinsung einer getilgten Steuer hat das Finanzamt durch die Minderung der festgesetzten Nachzahlungszinsen um 647 DM vermieden.

 

Praxishinweis

Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen wie im Streitfall aufgrund der Neufassung des § 233a AO ist gerichtlich "haltbar". Die Soll-Verzinsung nach § 233a AO beruht auf einer zulässigen gesetzlichen Typisierung und ist nicht verfassungswidrig. Eine gegebenenfalls bedenkliche künstliche Zerteilung des gleichen Lebenssachverhalts und der gleichen Steuer durch das Finanzamt in einen Nachzahlungs- (1997) und einen Erstattungsfall (1998), mit der das Finanzamt durch Verzögerung der Änderungsveranlagung des Erstattungsjahres den Nachzahlungsfall in die Zeit nach Ablauf der Karenzfrist hätte hineinlaufen lassen können, lag nicht vor.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 06.11.2002, V R 75/01

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