Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
- Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst.
- Erhält jemand im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer von ihm erbrachten Tätigkeit eine Provision und nimmt er sie als Gegenleistung an, so ist das Entgelt nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
Sachverhalt
A half seinem Freund B bei der Veräußerung von dessen Unternehmensanteilen für 100 Mio. DM. Über eine Vermittlungsprovision sprach man zunächst nicht. Erst später erhielt A von einer von B beherrschten Unternehmensholding im Zusammenhang mit dem Verkauf der Anteile 200000 DM. Diese Zahlung akzeptierte A im Hinblick auf seine Bemühungen. Das Finanzamt erfuhr von dieser Zahlung aufgrund einer Außenprüfung bei der Unternehmensholding und unterwarf sie als Vermittlungsprovision der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG. Dem widersprach A, weil er ohne eine Honorierung zu erwarten gegenüber B nur in freundschaftlicher Verbundenheit gehandelt habe. Mit dieser Argumentation hatte er weder vor dem FG, noch vor dem BFH Erfolg.
Entscheidung
Der BFH verabschiedet sich mit dieser Entscheidung von einem Merkmal im Begriff der "sonstigen Leistungen", das die Rechtsprechung bislang stets verwendet hat, nämlich dass die Leistung "um des Entgelts willen erbracht" werden muss. Dieses Merkmal deutet darauf hin, dass A schon in dem Zeitpunkt, in dem er seine vermittlungsähnlichen Leistungen erbringt, in der Absicht handeln muss, eine Gegenleistung zu erlangen. Davon ist der BFH aber schon im Urteil vom 21.9.1983 abgerückt. Es reicht nach der neuen Definition aus, wenn zwischen der Leistung und der Provision ein wirtschaftlicher Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass die Leistung die Gegenleistung auslöst. Der Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG ist ein sog. Einmaltatbestand, der nunmehr aus der Leistung, der Gegenleistung und dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen beiden Elementen gebildet wird. Der objektive Tatbestand der Norm ist mit dem Tun, Dulden oder Unterlassen des Steuerpflichtigen also noch nicht erfüllt. Hinzukommen müssen Einkünfte, die als Gegenleistung durch die Leistung ausgelöst werden. Subjektiv reicht es dann aus, wenn A die Provision als Gegenleistung für sein Tun annimmt.
Praxishinweis
Der Entscheidung kommt weitreichende Bedeutung zu. Denn sie erübrigt eine Motivationsforschung in dem Zeitpunkt, in dem der Steuerpflichtige seine Leistung erbringt. Steht eine Zahlung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem Verhalten des Steuerpflichtigen, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er sie als solche – nämlich als Gegenleistung – angenommen hat. Mit der Annahme kommerzialisiert er sein Verhalten und hebt es auf die Stufe der erwerbswirtschaftlichen Sphäre. Um seine altruistische Intention zu dokumentieren, hat er eigentlich nur noch eine Möglichkeit: Er muss die Zahlung ablehnen! Nur ein derartiges Verhalten wäre folgerichtig und hätte – mangels Einkünften – auch keine steuerlichen Konsequenzen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 21.9.2004, IX R 13/02