Leitsatz
- Aufwendungen für eine erstmalige vom Arbeitsamt unterstützte Berufsausbildung zur Bürokauffrau können Werbungskosten sein, soweit sie die Kostenerstattungen nach § 45 AFG (jetzt §§ 79, 81 SGB III) übersteigen.
- Das Unterhaltsgeld i.S. des § 44 AFG (jetzt §§ 77, 153 SGB III) ist demgegenüber nicht nach § 3c EStG anzurechnen (Fortführung der Rechtsprechung aus dem BFH-Urteil vom 4.3.1977, VI R 213/75, BStBl II 1977, S. 507).
Sachverhalt
Die 1966 geborene Klägerin wurde für das Streitjahr 1996 zusammen mit ihrem Ehemann veranlagt. Sie hatte nach ihrer Schulzeit ab 1989 mit Unterbrechungen als ungelernte Kraft im Büro gearbeitet. Nach dem Erziehungsurlaub nahm sie im Oktober 1995 eine Ausbildung zur Bürokauffrau auf. Die Ausbildungseinrichtung zahlte keinen Lohn; jedoch gewährte das Arbeitsamt Unterhaltsgeld (im Streitjahr: 6689 DM). Nach Abschluss der Ausbildung wurde sie als Buchhalterin eingestellt. Die Aufwendungen für die Ausbildung, vornehmlich Fahrtkosten zur Schule an 5 Tagen pro Woche, machte sie abzüglich gewährter Erstattungen nach § 45 AFG als Werbungskosten geltend (7698 DM). Hiervon berücksichtigte das Finanzamt nur 1800 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zurück.
Entscheidung
Der BFH bescheinigte der Bürokauffrau, dass sie ihre Ausbildung absolvierte, um später Erwerbseinnahmen zu erzielen. In einem solchen Fall sind die damit zusammenhängenden Aufwendungen nach der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung beruflich veranlasst und führen deshalb dem Grunde nach zu Erwerbsaufwendungen. Das FG wird nunmehr festzustellen haben, in welcher Höhe Werbungskosten angefallen sind. Neu ist bei der Entscheidung, in welchem Umfang Förderungsmaßnahmen des Arbeitsamtes nach § 3c EStG mit Werbungskosten zu verrechnen sind. Nach § 3c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben nicht als Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Einen solchen Zusammenhang bejaht der BFH, soweit das Arbeitsamt Werbungskostenersatz (hier: Fahrtkostenerstattungen) leistet, nicht aber hinsichtlich des Unterhaltsgeldes. Denn mit letzterem werden nicht Werbungskosten, sondern Lebenshaltungskosten finanziert. Insoweit greift der BFH auf bisherige Rechtsprechung zurück.
Praxishinweis
Der erste Leitsatz erweckt den Anschein, dass alle nach § 45 AFG geleisteten Zahlungen nach § 3c EStG mit Werbungskosten zu verrechnen seien. Das dürfte aber nur für solche gelten, die ihrem Charakter nach Werbungskostenersatz darstellen, also etwa nicht für die Übernahme von Beiträgen zur Kranken- und Unfallversicherung (letztere zweifelhaft) bzw. von Aufwendungen für Kinderbetreuung nach § 81 Abs. 1 Nr. 4 SGB. Gleiches gilt für zusätzliche Erstattungen für auswärtige Unterbringung und Verpflegung, falls nicht gleichzeitig die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung oder einer Dienstreise vorliegen. Im Streitfall wurden nur Fahrtkosten nach § 45 AFG finanziert, also Werbungskostenersatz geleistet.
Beim Unterhaltsgeld nach § 44 AFG hätte man zu einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang i.S. von § 3c Abs. 1 EStG mit der Begründung kommen können, die Förderung sei wirtschaftlich einem Ausbildungsdienstverhältnis ähnlich, weil das Ausbildungsgeld eingestellt wird, wenn der Geförderte seiner Ausbildungsverpflichtung nicht mehr nachkommt. Hiergegen spricht, dass zweifelhaft ist, ob das Unterhaltsgeld in eine Einkunftsart fällt; es ist jedenfalls nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei. Außerdem sollte eine bestehende Rechtsprechung nicht ohne Not geändert werden. Im Übrigen war das Unterhaltsgeld mit ca. 560 DM monatlich vergleichsweise niedrig, weshalb wohl noch weitere Unterhaltsleistungen durch den Ehemann erbracht worden sein dürften. Solche Unterhaltsleistungen führen aber keinesfalls zur Anwendung des § 3c EStG. Dann liegt es nahe, hinsichtlich der Leistungen nach § 44 AFG gleich zu verfahren.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 13.10.2003, VI R 71/02