Leitsatz

  1. Bei der Frage, ob ein zwischen nahen Angehörigen geschlossener Vertrag über eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen (vgl. §§ 10 Abs. 1 Nr. 1a, 22 Nr. 1 EStG) tatsächlich durchgeführt worden ist, steht im Rahmen der hierbei gebotenen Gesamtwürdigung weniger ein Vergleich zu Verträgen zwischen fremden Dritten im Mittelpunkt. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Beantwortung der Frage an, ob der Vereinbarung von beiden Vertragspartnern rechtliche Bindungswirkung beigemessen wird. Dies kann trotz einer Abweichung von der vertraglich vereinbarten Höhe der ohnehin abänderbaren Versorgungsleistungen zutreffen, wenn sich diese Abweichung nicht als willkürlich erweist.
  2. Für die Gesamtwürdigung im Rahmen der Beurteilung, ob ein zwischen nahen Angehörigen geschlossener Vertrag der Besteuerung zugrunde zu legen ist, können auch zeitlich vor dem Streitjahr liegende Umstände herangezogen werden.
 

Sachverhalt

Dem Steuerpflichtigen und seinem Bruder wurde 1987 von ihrer Mutter (M) zu je ½ ein KG-Anteil übertragen. Als "Gegenleistung" hatten sie der M auf deren Lebenszeit 16 % des jährlichen Reingewinns der KG, mindestens jedoch 30000 DM, zu zahlen. Die KG erzielte in der Folgezeit – ausgenommen 1990 – hohe Verluste, so dass M nur die Mindestrente erhielt. Das Finanzamt lehnte den vom Steuerpflichtigen für das Streitjahr 1995 begehrten Abzug einer dauernden Last von 15000 DM (50 % von 30000 DM) ab. Es meinte, der Versorgungsvertrag sei nicht abredegemäß durchgeführt worden. Denn M habe auch 1990 nur die Mindestrente erhalten, obwohl ihr in diesem Jahr ein höherer Betrag – 16 % von rd. 247000 DM Gewinn – zugestanden hätte.

Im Klageverfahren machte der Steuerpflichtige geltend, die Regelung über die Abführung von 16 % des Reingewinns habe sich nicht auf den Bilanzgewinn des jeweiligen Jahres, sondern auf den Gewinn abzüglich eines etwaigen Verlustvortrags aus Vorjahren bezogen, so dass M auch für 1990 nur die Mindestrente habe beanspruchen können. Das FG gab der Klage statt. Es folgte dem Finanzamt zwar darin, dass der Begriff des "jährlichen Reingewinns" eine Verrechnung mit Verlustvorträgen verbiete. Jedoch sah sich das FG durch das Abschnittsprinzip[1] daran gehindert, im Streitjahr 1995 Erkenntnisse über die fehlende vereinbarungsgemäße Durchführung des Vertrags aus dem Jahr 1990 zu verwerten.

 

Entscheidung

Die Revision des Finanzamts führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

  1. Nach § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB kann ein Kommanditist die Auszahlung des auf ihn entfallenden Gewinnanteils nicht fordern, solange sein Kapitalanteil durch Verluste unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag gemindert ist. Diese Entnahmesperre stellt ein gewichtiges Indiz gegen die vom FG vertretene Auslegung der vertraglichen Berechnungsformel dar. Denn ein Versorgungsvertrag beruht auf dem Gedanken der vorbehaltenen Vermögenserträge. Wenn die übergebene existenzsichernde Wirtschaftseinheit ihrer Natur nach schwankende Erträge abwirft, liegt es nahe, eine Vereinbarung zu treffen, die den Übergeber – abgesehen von einer Mindestversorgung – an Mehrerträgen nur dann partizipieren lässt, wenn diese dem Übernehmer auch tatsächlich zur Verfügung stehen, nicht aber, wenn sie wegen der Verrechnung mit aufgelaufenen Verlusten von vorneherein nicht entnommen werden können. Die Auslegung des FG geht danach von unzutreffenden rechtlichen Grundlagen aus. Der Senat kann die erforderliche Auslegung indes nicht selbst vornehmen, weil das FG nicht alle dafür maßgeblichen Umstände festgestellt hat.
  2. Sollte auch die erneute Auslegung der Berechnungsformel des Versorgungsvertrags zu dem Ergebnis führen, dass M im Jahr 1990 nicht den vollen ihr zustehenden Rentenbetrag erhalten hat, wäre das FG allerdings nicht durch den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung gehindert, diese Abweichung als Indiz im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung der steuerrechtlichen Anerkennung des zwischen nahen Angehörigen abgeschlossenen Vertrags im Streitjahr 1995 zu berücksichtigen. Maßgebend für die Beurteilung, ob ein zwischen nahen Angehörigen abgeschlossener Vertrag trotz gewisser Abweichungen vom Vereinbarten der Besteuerung zugrunde zu legen ist, ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Mit dem Wesen der in diesen Fällen vorzunehmenden zusammenfassenden Würdigung wäre eine Beschränkung auf solche Tatsachen, die ausschließlich dem Streitjahr zugeordnet werden können, unvereinbar.
 

Praxishinweis

  1. Um den hier aufgetretenen Streit über die Auslegung des vertraglichen Passus "jährlicher Reingewinn" zu vermeiden, ist bei solchen Gewinnbeteiligungsrenten zu empfehlen, schon im Vertrag ausdrücklich klar zu stellen, ob Bemessungsgrundlage für die "Rente" nur der (isolierte) Reingewinn des jeweiligen Jahres sein soll oder ob hierbei auch etwaige Verlustvorträge berücksichtigt werden sollen. Dies gilt nicht nur wegen der streitigen steuerrechtlichen Beurteilung, sondern auch im Interesse der Vermeidung möglicher zivil...

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